Liebhaberstück Xenia (German Edition)
streichelte seine Stimme von hinten mein Haar. „Treffen Sie sich mit mir nächste Woche oder war’s das endgültig?“
Ich wünschte Anette noch schnell eine g ute Fahrt, bis ich mich innerlich rüstete, umdrehte und Thorsten Hartmanns Hand ergriff, die er mir nicht angeboten hatte.
Von irgendwoher erklang noch ein „Wir müssen tolerant sein! Wir müssen tolerant sein!“ Und ich sprach zu Tho rsten Hartmann: „Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihr weiteres Leben und eine gute Heimfahrt!“ Obwohl ich jedes Wort mit Inbrunst vortrug und genauso meinte, klang es selbst in meinen Ohren schal.
In seinen Ohren wohl auch. Er presste seine Lippen z usammen, entzog mir seine Hand, sagte nichts , drehte sich um und ging.
Und ging!
Ich fuhr zurück nach Berlin und fühlte mich, als hätte ich etwas Wertvolles verloren.
Wieso etwas Wertvolles?
Das, was ich von einem Man wollte, hätte er mir ja sowieso verweigert, auch wenn ich auf seinen Vorschlag eingegangen wäre.
Warum also war ich so tra urig?
Er hielt sich dran.
Das merkte ich noch nicht gleich, denn die ersten Monate nach dem Seminar am Geisblattsee waren angefüllt mit all den Reisen, die ich mir vorgenommen hatte für mein Leben nach der Stufe-4-Qualifikation: das Traumschiff im Mittelmeer ohne Max, Hawaii mit Max, Safari in Afrika mit Max. Außerdem war ich als Seminar-Sprecherin in Salzburg, Zürich und Kopenhagen geladen und in Kiew, Stockholm, Paris, Toronto und Canberra. Max konnte ich nach Kanada und Australien mitnehmen und ihm wunderschöne Erlebnisse schenken. Dazwischen hatte mein Junge gelernt, sich gelegentlich mal ein paar Tage selbst zu versorgen, und war wesentlich selbstständiger geworden.
Und ich verbrachte das Wochenende in Frau Drechselme isters Pension an der Ostsee, das ich mir verdient hatte.
Mein Leben war also viel zu ausgefüllt, um Zeit für Tho rsten Hartmann zu haben. Doch dann durchstieß er zu ganz unvermuteten Gelegenheiten die Oberfläche meines Bewusstseins. Etwa als dieser lustige australische Industrielle an der Hotelbar in Sydney mit mir flirtete und ich seinen Bizeps unfair mit dem von Thorsten Hartmann verglich.
Und mir damit das Interesse an dem Australier versaute. Und den Abend.
Oder auf dem Wochenendseminar in Kiew, wo ich beschlossen hatte, mich endlich als Frau von Welt zu geben und diesen gut aussehenden russischen Offizier mit aufs Hotelzimmer zu nehmen. Stattdessen machte ich doch einen Rückzieher, fand mich allein im Hotelbett wieder und wurde zur Strafe gebeutelt von einem Traum, in dem Thorsten Hartmann, assistiert von Frau Engelrich, mir entgegen all meiner berechtigten Proteste einen Zahn zog.
Oder dann zwischen zwei Reisen daheim in Berlin, als Frau Koslowski mich im Treppehaus abfing und mir zuzischte: „Warum lässt sich denn der nette Arzt nicht mehr blicken? So wird es nichts mit Frau Doktor werden! Sie hätten ihn eben doch nicht immer so herb abfertigen dürfen. Männer mögen so was nicht!“
Gestärk t durch derart qualifizierten Rat war es doch eine Freude, nach einer langen Serie von Reisen wieder heim zu kommen.
Nicht mal bei unseren keltischen Festen lauerten die Hartmänner uns auf. Seit Freya Mick klargemacht hatte, dass sie es nicht schätzte, bei unseren geheimen Ritualen beobachtet zu werden, unterließen sie es. Vielleicht auch weil der Reiz des Neuen weg war.
Selbstverständlich begrüßten wir diese Beachtung unseres ausdrücklichen Wunsches. Ärgerlich jedoch war, dass die Hartmänner ausgerechnet vor Beltaine beschlossen hatten, unsere Privatsphäre zu respektieren. Denn Beltaine war die Walpurgisnacht, das Fest, an dem wir den Mai begrüßten, indem wir unser Haar mit Frühlingsblumen schmückten, und dabei, wie wir uns gegenseitig versicherten, zum Verlieben wunderschön aussahen, als wir um unseren kleinen, schönen Maibaum tanzten, den wir aus einer Bohnenstange, einem Blütenkranz und bunten Bändern gebastelt hatten.
Und zu essen hätten wir auch genug gehabt.
So ging ein Jahr ins Land, in dem Thorsten Hartmann, obgleich nie persönlich anwesend, als ständiges Ärgernis durch das Hintergrundrauschen meiner Tagträume flirrte.
D er verdammte Mistkerl!
Bis ich Colin kennenlernte.
Es war in Dublin bei diesem Wochenendkurs in irischem Stepptanz, zu dem Olive Murphy mit ihren Berliner Tänzern gefahren war. Und weil ich zwischen meinen Reisen sehr oft trainierte und mich daher gut verbessert hatte, bestand sie darauf, dass ich mitfuhr. Oder weil jemand
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