Liebhaberstück Xenia (German Edition)
Gruppenbilder. Danach entledigten sich die Männer ihrer Krawatten, und die meisten Gäste machten sich auf zu einem kleinen Verdauungsspaziergang, um zum Abendessen rechtzeitig zurück zu sein. Denn das würde nach der Ansage von Mrs. Kettletoft zeitig aufgetischt werden.
So fiel es nicht weiter auf, dass Colin und ich uns zur Riff-Farm davonstahlen. Da unsere Zimmerschlüssel auch für die Haustür passten, kamen wir ungestört in das ansonsten verlassene Haus.
„Oh, Colin! Ich bin so nervös !“, stöhnte ich.
„Aber dazu hast du gar keinen Grund!“ Er strich beruhigend über meine Wange. „Wir haben doch die Schritte gestern noch mal geübt. Das lief eigentlich ganz gut:“
„Und was, wenn die Fackel ausgeht?“
„Das wird sie schon nicht!“
Er, der Ahnungslose, wusste zwar, dass ich vorher ein Solo tanzen würde, und er hatte mir dafür einen anfängertauglichen Slipjig-Tanz beigebracht, bei dem ich nichts verkehrt machen konnte, doch er hatte keine Ahnung, was ich in Wirklichkeit tanzen würde.
Mit der Garderobe , die wir für unseren Auftritt brauchten – oh Gott, unseren Auftritt! – begaben wir uns wieder zurück zum Cottage Inn. Colin hatte vereinbart, dass unsere Tanzeinlage noch vor dem Abendessen stattfinden würde, weil danach die Band spielen wollte. Das war mir ganz Recht.
Denn ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Wochenlang hatte ich mich darauf gefreut, Colin mit meinem Tanz zu verzaubern, und nun sah ich das Ganze nur als lästiges Übel, das irgendwie überlebt werden musste. Hoffentlich war das nur das Lampenfieber! Und hoffentlich ließ ich mich nicht schon wieder von Hartmann aus dem Gleichgewicht bringen! Ungefragt drängten sich peinliche Erinnerungsfetzen an Olive Murphys irische Tanzshow in mein Gedächtnis.
In einem der Gästezimmer des Cottage Inn , in das Mrs. Kettletoft mich lotste, schälte ich mich in das aufregende Kleid aus sündhaft roter Seide, das ich extra für den Zweck gekauft hatte. Es fühlte sich gut und sexy an auf meiner Haut, was mich beruhigte.
Auf dem Gang traf ich Colin . Er sah umwerfend aus in seinen engen Hosen aus schwarzem Leder und der blau-gelben kurzen Jacke, die seine blanke Brust freiließ.
„Dann fang ich jetzt an mit meinem Solo “, teilte ich ihm mit. Oh Gott, mein Solo!
„Ja, gib dem Mann mit den roten Haaren deine CD! Der macht das mit der Technik. Er weiß über alles Bescheid. Er lässt gerade die Vorhänge zuziehen, damit die Fackel besser zur Geltung kommt.“
„Aber du schaust doch zu , wenn ich tanze!“
„Das muss ich wohl, sonst verpasse ich ja meinen Ei nsatz. Aber ich warte hinter der Tür, sonst wird das nichts mit meinem Überraschungsauftritt. Ich habe sowieso den Verdacht, dass die Braut etwas ahnt. Mach dir keine Sorgen, du schaffst das schon! Und denk dran: Immer schön das Knie hoch beim Slipjig!“
Er hatte ja keine Ahnung!
Nervös steckte ich die Fackel an der Flamme einer Tischdekorkerze an und ließ mir vom rothaarigen Fidelspieler der Band das Mikrophon reichen.
Meine Aufregung niederkämpfend kündigte ich an: „Und nun eine Überraschung für das Brautpaar!“
„Was, noch eine ?“, meinte Freya. „Erst ein Ehemann mit Veilchen, dann ein schwuler Friseur, wie kann man das noch toppen?“
Ich lachte, und mit dem Lachen wich die Anspannung. Da ich jeden Satz in Deutsch und in Englisch formulieren musste, lenkte mich die dafür nötige Konzentration ebenfalls wohltuend vom Lampenfieber ab.
„ Zu Ehren des Brautpaares folgt jetzt eine kleine Tanzvorführung“, begann ich. „Sie heißt Feuer und Stahl und handelt von Freya und Mick. Der erste Tanz ist Freya gewidmet, und ich werde versuchen, sie darzustellen. Sie ist das Feuer .“
Dem rothaarigen Fidelspieler drückte ich das Mikro in die Hand, ging zur Mitte des Raums, ließ die ersten Töne des Songs verklingen und begann zu tanzen. Alles rundherum ausblendend ergab ich mich dem Rhythmus, wirbelte mit der Fackel herum, bog mich sinnlich um sie, als wäre sie Colin, führte sie aufreizend an meinem Körper entlang, hieb sie in die Luft, schwang sie in leuchtenden Schlingen durch den Saal, tanzte mir die Seele aus dem Leib. Ich ließ alles einfließen, was ich an Leidenschaft greifen konnte, einschließlich einer seltsamen Gier nach Körperlichkeit, und kämpfte darum, Freyas Sexappeal zu verkörpern, Colin damit zu bezaubern und eins zu werden mit dem Feuer.
Und mir das Kleid nicht anzusengen.
Nachdem ich als Finale
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