Liebhaberstück Xenia (German Edition)
zwanzig.
„Ja .“ Ich griff nach meinem Handy. „Das ist auch bei mir so. Aber es ist ganz einfach nur eine Frage der Statistik.“ Meine Hand wies auf das Flipchart neben der Couch, auf dem Mick drei Spalten aufgezeichnet hatte. Eine mit „ Ja“ , eine mit „Nein“ und eine mit „Später anrufen“ .
„ Ziel ist es jetzt nur“, fuhr ich fort, „die Leute auf euren Namenslisten in diese Spalten einzuordnen. Das ist alles. Wer fängt an?“
„Immer die Upline!“ Mick zeigte sein charmantes Grinsen, das nur er zustande brachte.
„Was ist eine Upline ?“, wollte Nicoles pickelgesichtige Freundin wissen, deren Namen mir nicht einfiel.
„ Ihr seid die Upline für die Leute, die ihr ins Geschäft bringt“, erläuterte ich, „und auch für deren Leute und so weiter.“
„Du bist unsere Upline!“ Mick beugte sich zu mir. „Und du kassierst, wenn wir arbeiten.“
Das Nicken und Lächeln fiel mir immer schwerer. „Die Upline kassiert bei uns immer erst nach der Downline. Je erfolgreicher eure Geschäftspartner sind, desto erfolgreicher seid ihr. Also sind wir alle ein Team, dessen Erfolg alle betrifft. Na schön, ich fange an mit dem Telefonieren. Das ist für mich auch noch immer eine Überwindung.“
„Die Konzeptpräsentation dann zu halten, ist nicht das Pr oblem“, meinte Jörg, Micks fröhlicher Freund aus Kindertagen, dessen dürre Frau neben ihm immer einen recht verhärmten Eindruck machte. „Aber das Telefonieren hasse ich!“
„ Ich auch“, gab ich zu. „Das geht jedem so. Warum das so ist, weiß keiner, doch das muss man eben akzeptieren. Und als eure Upline nehme ich mir gleich den härtesten Brocken vor. Also, wer hat einen besonders schwierigen Interessenten auf der Namensliste? Einen Firmenchef? Einen Generaldirektor?“
„Ich hab einen harten Brocken!“ Mick hob seine Namensl iste hoch. „Meinen Bruder. Aber der wird sowieso nicht einsteigen. Also vergiss es!“
Das konnte ich so nicht durchgehen lassen. Also nickte und lächelte ich. „Ja, ein Bruder ist immer ein harter Bro cken, weil er einen kennt und einem nie zutraut, ein erfolgreiches internationales Geschäft aufzubauen. Ist er dein großer oder dein kleiner Bruder?“
„Er ist zehn Jahre älter als ich.“
Gewichtig nickte ich. „Ältere Brüder glauben jüngeren sowieso nichts. Deshalb arbeiten wir mit der dritten Person. Das heißt, ich rufe ihn jetzt an und nicht du. Und warum sollte er dann nicht interessiert sein?“
„Weil er genug Geld hat,“ Mick knallte seine Namensl iste auf den Tisch, „und zuwenig Zeit, das auszugeben.“
„Daher wird er es zu schätzen wissen, dass unser G eschäft ihm ein passives Einkommen bietet. Und selbst wenn er das nicht einsieht, so hat meine Upline immer gesagt, dass jeder allein schon durch unsere guten Produkte profitiert.“ Ich rückte Stift und Timer zurecht. „Okay, Mick, ich brauche seinen Namen und seine Telefonnummer.“
Er schob mir seine Namensliste rüber und deutete auf den untersten Eintrag. „Dr. Thorsten Hartmann“, las ich vor. „Ein Akademiker also. Das ist in der Tat ein harter Brocken, denn die halten sich oft für was Besseres. Erst recht die mit Doktortitel. In was hat er seinen Doktor, Mick?“
„In Medizin.“
Verdammt!
Ich atmete tief durch. „Das sind die Allerhärtesten. Nur schwer bereit zuzuhören, wenn eine einfach e Hebamme wie ich etwas sagt. Erst dieses Wochenende hatte ich äußerst negative Zusammenstöße mit dieser Spezies.“
„Echt?“ Mick hob die Augenbrauen. „E rzähl!“
Sei offener deinen Geschäftspartnern gegenüber , hörte ich im Geist die Stimme meiner langjährigen Freundin Bernadette, die mich in dieses Geschäft gebraucht hatte und immer der Meinung war, ich müsste endlich meinen inneren Panzer ablegen und meine Geschäftspartner mehr an meinem wahren Ich teilhaben lassen.
Weil das ein Geschäft mit Menschen war.
Nun blickte ich in die Runde, erkannte das ehrliche Interesse dieser Menschen und kam zu dem Schluss, dass ein bisschen authentische Offenheit jetzt vielleicht angebracht war. „Ihr wisst, dass ich im Moment nur noch in besonderen Fällen als Hebamme praktiziere und ansonsten von unserem Geschäft lebe. Solange bis ich Stufe 4 erreicht habe, denn dann bin ich reich und kann meinen Beruf so ausüben, wie ich will. Dieses Wochenende war also eine Ausnahme. Ich habe mich von einer Kollegin beknien lassen, sie in ihrem Urlaub zu vertreten und bin prompt mit einem Haufen überheblicher
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