Liebhaberstück Xenia (German Edition)
Schulmediziner zusammengestoßen, die mich bei meiner Arbeit nur behindert haben.“
„Solche Ärzte kenne ich auch.“ Jörgs Frau zog angewidert die Mundwinkel nach unten.
Nun war es an der Zeit, zurück zum Thema zu kommen. „Aber soll mich das jetzt davon abhalten, Micks Bruder a nzurufen? Berlin ist groß und hat viele Kliniken und viele Mediziner. Ich habe schon mit einigen fähigen Ärzten zusammengearbeitet und auch schon ein paar ins Geschäft gebracht. Sie sind oft sehr erfolgreich mit unseren Nahrungsergänzungen. Na, was meint ihr? Soll ich aufgeben, nur weil ich mich über ein paar von ihnen geärgert habe oder soll ich meine Abneigung überwinden und anrufen?“
„Anrufen!“ , rief Jörg.
Ich lächelte. „Richtig! Der Herr Doktor kann nur nein sagen, mehr kann er mir nicht antun.“
Zumindest nicht am Telefon .
Dieser Anruf, so unbekümmert ich auch tat, war weit je nseits meiner Komfortzone. Tief durchatmend schaltete ich mein Handy auf Lautsprecher, damit alle mithören konnten, überwand meine Hemmungen und wählte die Nummer.
„Mittwoch 19 Uhr 30 ist gut für einen Termin bei ihm“, raunte Mick mir zu, während das Telefon am anderen Ende der Leitung klingelte. „Da ist er meistens daheim, weil wir anschließend zusammen ins Training gehen.“
„Hartmann“, meldete sich eine Männerstimme, die ein bisschen verschlafen und genauso wie Mick am Telefon klang, der sich auch immer nur mit „Hartmann“ meldete.
„Hallo , Herr Dr. Hartmann!“ Meine professionelle Business-Stimme übernahm die Gewalt über meine Restbedenken. „Hier spricht Sachs. Sie kennen mich nicht persönlich, aber Sie sind mir empfohlen worden. Von Ihrem Bruder.“
„ Mick?“
„Ja. Ich habe ihn über mein Geschäft kennengelernt und ihn gebeten, mir ein paar fähige Leute zu nennen, mit d enen man hier ein Projekt hochziehen kann. Ich weiß, das kommt jetzt für Sie aus heiterem Himmel, aber wäre für Sie ein zweites Einkommen interessant?“
Da nur ein Brummen zurückkam – ein deutlich verschlaf enes, um nicht zu sagen mürrisches – redete ich gleich weiter, wobei ich meine Geschäftspartner anschaute und demonstrativ auf den Zettel mit der vorgefertigten Terminabsprache deutete, der als Kopie vor jedem der Anwesenden lag: „Ich kann Ihnen natürlich nichts versprechen.“ Das war einer meiner magische Sätze. „Und wir müssen auch erst mal schauen, ob wir miteinander zurechtkommen, ob es in Ihren Zeitplan passt und so weiter, aber ich wäre Mittwoch in Ihrer Gegend und könnte bei Ihnen vorbeischauen. Passt es Ihnen um 19 Uhr 30?“
Es kam wieder ein Brummen, das ich für Zustimmung hielt. „Also dann bis Mittwoch 19 Uhr 30, Herr Dr. Har tmann. Bis dahin eine gute Zeit! Tschüss!“
Erleichtert legte ich auf, notierte den Termin in meinen Timer und blickte souverän in die Runde, als hätte ich diesen Erfolg erwartet. „Das war doch nicht schwer, oder? Wer möchte jetzt telefonieren?“
So waren die ungeschriebenen Regeln einer Telefonsess ion. Wenn ich den härtesten Brocken schluckte, den Schuldirektor, den Anwalt – oder den verdammten Arzt – dann trauten sich die anderen wenigstens, ihre Hartz-4 empfangende, alkoholkranke Nachbarin oder ihren auf Bewährung entlassenen Schwager anzurufen.
„Machst du bitte einen Strich in der Ja -Spalte, Mick?“ Ich deutete auf das Flipchart, dem Mick am nächsten saß.
„Nein .“
Ich glaubte, ich hörte nicht recht! „Was soll das he ißen? Ich hab den Termin doch gekriegt!“
„ Er zählt aber nicht.“
„Und warum nicht?“
„He, Upline, ich kenne meinen Bruder! Der hat nicht mal gefragt, um was es geht. Du hast den Termin nur gekriegt…“
„…weil die Terminabsprache gut ist !“, beendete ich den Satz.
„Nein, weil du ’ne Frau bist. Thorsten lässt nie die Gelegenheit aus, ’ne Frau flachzulegen. Er sammelt Weiber wie Jagdtrophäen. Als Hobby. Nur deshalb hast du den Termin gekriegt. Der zählt nicht.“
„Der zählt schon!“ Entschieden ging ich selber zum Flipchart, nahm einen Edding aus der Stiftablage, machte einen energischen Strich in der Ja -Spalte und nahm wieder Platz.
„Du wirst ja sehen!“ Mick lümmelte seine hünenhafte Gestalt ins Sofa. „Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“
Jörg lachte, und seine Frau rümpfte verächtlich die N ase.
Am liebsten hätte ich Mick unter dem Tisch ordentlich getreten. Doch ich beherrschte mich, denn schließlich war Michael Hartmann der Hoffnungsträger
Weitere Kostenlose Bücher