Liebhaberstück Xenia (German Edition)
glücklich! Das bist du mir schuldig!“
Damit floh ich auf den Fahrersitz, knallte die Tür zu und fuhr los.
Das Fahren erledigte ich mechanisch, aber effizient, da die Gefühlstaubheit weiter a nhielt.
Ich parkte das Auto, nahm die ersten zwei Körbe aus dem Kofferraum und ging hinüber zu dem Haus, wo ich wohnte.
War es die Benommenheit, dass ich das Auto nicht kommen sah? Plötzlich war er da, der Kleinwagen und hätte mich glatt umgefahren, wäre ich nicht geistesgegenwärtig beiseite gesprungen.
Mit unvermindert hoher Geschwindigkeit und quietsche nden Reifen verschwand das Auto um die Ecke. Außer dass es von dunkelblauer Farbe war mit einen langhaarigen blonden Fahrer am Steuer, hatte ich nichts erkannt. Mann oder Frau? Keine Ahnung.
„Idiot !“, rief ich hinterher. Das passte zu jedem Geschlecht.
Schnell räumte ich den einen Korb wieder ein, der umg efallen war und seinen Inhalt auf die Straße gegossen hatte wie ein Füllhorn. Zwei Tassen waren zu Bruch gegangen.
Im Hausgang bemühte ich mich, rasch zur Treppe zu kommen, um Frau Koslowski zu entgehen. Ich schaffte es nicht.
Gleich einem Torpedo schoss sie aus ihrer Wohnungstür und legte los: „Was für eine Rücksichtslosigkeit! Hier glaubt jeder, er kann durch die Gasse rasen wie verrückt. Ihnen ist doch nichts passiert? Na, Gott sei Dank! Hätte ich doch nur meine Brille aufgehabt, dann hätte ich das Nummernschild lesen können. Und dann hätten wir sie anzeigen können, die Schlampe. Das wäre ihr recht geschehen!“
„Es war also eine Frau?“
„Ja, so eine Blondine. Das sind die Schlimmsten. Die sind ja alle geschieden. Und können ganz offensichtlich nicht Autofahren. Aber warum tragen Sie einen Mantel bei der Hitze? Sie werden schwitzen und sich erkälten. Waren Sie am Wochenende wieder bei so einem Seminar? Sie sollten weniger arbeiten und mal mit einem Mann ausgehen!“
„Davon habe ich erst mal genug, vi elen Dank!“ Ich brachte die Körbe hoch in meine Wohnung und holte dann den Rest.
Erst als ich alles aufgeräumt hatte und die Leere meiner Wohnung laut zu hallen begann, kamen die Tränen.
Eineinhalb Wochen lang gönnte ich mir den Luxus stumpfsinnigen Dahinvegetierens und stundenlanger Heulorgien. Ohne Kontakt zur Außenwelt. Das Telefon ließ ich klingeln, die Post ignorierte ich und Emails ebenso.
Stattdessen sah ich mir sentimentale Filme im Fernsehen an, bei denen ich über das Leid der anderen schluchzte und das als seltsam tröstlich empfand.
Dann kam mein Sohn wieder, da er auf Wunsch seines z ukünftigen Lehrbetriebes wegen eines Krankheitsfalls noch vor Ende der Schulferien mit dem Arbeiten anfangen sollte, wofür er Ende September eine Extrawoche Urlaub erhalten würde.
Also riss ich mich wieder zusammen und ließ mir nichts anmerken. In all den Jahren Restehe nach Maxis Geburt hatte ich schließlich nichts anderes getan.
Deshalb konnte ich da s ganz prima.
Nur nachts, wenn ich es nicht schaffte, sofort in den erl ösenden Schlaf zu sinken, weinte ich mich hinein.
Das nächste Wochenende besuchte ich mit Max und seinem neuen Freund Daniel das Warner Brothers Movie World.
Ein Rezept, das aufging.
In dem Filmpark gab es so viel zu sehen und zu unternehmen, dass die beiden Jungs mich völlig auf Trab und emotionalem Ablenkungskurs hielten.
Daniel war ein begeisterter Typ, fast zart mit seinen fe inen, hellblonden Haaren und seinem dünnen, noch nicht ausgewachsenen Knabenkörper, der immer leicht nach vorn geneigt war.
Manchmal ließ ich die Jungs allein Achterbahn fahren, setzte mich solange in ein Café, beobachtete Max und tankte Kraft aus seinem Lachen.
Was für ein Wunder war mein Kind schon immer für mich g ewesen!
All die Frauen fielen mir ein, die ihr Kind verloren ha tten. Das war das Schlimmste an meinem Beruf, das Schlimmste, was eine Frau überhaupt erleben konnte. Das machte mich von neuem dankbar, rückte die Dinge ins richtige Licht und ermahnte mich zu erkennen, dass Männer nicht das Wichtigste waren im Leben.
Erst recht nicht so ein verdammter Weiberheld wie Thorsten Hartmann.
Ich machte mir nichts vor, natürlich würde ich um ihn tra uern. Und das würde zwei Jahre dauern, wie ich aus Büchern wusste und auch aus eigener Erfahrung. Denn zwei Jahre hatte ich als junge Frau dem Tod meiner Ehe nachgetrauert.
Und als Mädchen meinem verstorbenen Zwergpudel.
Zwei Jahre – ein hoher Preis! War es das wert gewesen? Zwei Jahre Trauer für ein paar Tage Glücklichsein mit Thorsten
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