Liebhaberstück Xenia (German Edition)
die Tradition wahren und Heba mme werden wollte. Was ich allerdings nicht bedacht habe, ist die Kleinigkeit, dass man als Hebamme immer die Dumme ist, wenn ein Arzt irgendwas daherredet. Als Großmutter praktiziert hat, war das nicht so. In ihrem Dorf gab es keinen Arzt, und wenn sie einen Kaiserschnitt für nötig hielt, ist man in die nächste Klinik gefahren.“
„Und ist das Studium stressig?“
„Es ist nicht halb so anspruchsvoll, wie uns die Herren in Weiß immer glauben lassen. Aber ich habe auch erst ein paar Vorlesungen besucht. Ab und zu mache ich auch noch was fürs Geschäft. Alte Sachen, die ich einfach noch abarbeiten will.“
So wie Frau Gerhardt. Gestern hatte ich einen Kaffe e mit ihr im ihrem Büro getrunken und ihr das neuste Anti-Aging-Serum gezeigt. Ich hatte schon den Geschäftspartnerantrag herausgezogen, da war ihre Angestellte hereingeplatzt wegen irgendwelcher Probleme, und wir mussten das Ganze verschieben.
Freya seufzte. „Übrigens, ich soll dich von Mick bitten, dass du ihm für seine Feier eine Schüssel Nudelsalat machst. Er steht auf deinen Nudelsalat. Mich hat er auch eingespannt. Ich muss ihm drei Torten backen.“
„ Das läuft aber nur, wenn er dafür sorgt, dass Thorsten nicht kommt. Mick kann wählen!“
Mit gerunzelter Stirn legte Freya den Kopf schief. „Du meinst zwischen einer Schüssel Nudelsalat und seinem leiblichen Bruder, mit dem er aufgewachsen ist, der ihn aufopfernd trainiert hat vor seinem Meisterschaftskampf – oft abends nach einem Tag voller Notoperationen in der Klinik - und ihn geholfen hat, seinen Traum zu erfüllen und deutscher Meister im Schwergewicht zu werden?“
„Ja.“
Freya nickte bedächtig. „Mick nimmt den Nudelsalat.“
„Hallo, hier ist der Nudelsalat!“, sagte ich in die Gegensprechanlage.
„Geil!“ Micks Stimme klang mit elektronischem Näseln durch das Gerät. Kurz darauf war er an der Haustür und nahm mir die Schüssel ab. „Danke, Upline, nett, dass du…“, sein Blick wanderte über meinen Kopf hinweg, „… oh, fuck! “
Verwundert dr ehte ich mich um und erstarrte.
Arm in Arm schlenderten sie auf das Haus zu. Thorsten und eine hübsche, schlanke Frau mit blonden, flott gefönten, halblangen Haaren und rotem Spaghettiträgerkeid.
Ich starrte in Thorstens Augen und sah dort dasselbe E rschrecken, das auch mich gepackt hielt. Mir war, als hätte er mir ein Kilo Plutonium in den Bauch gerammt, das nun all mein Innerstes mit seiner giftigen Strahlung zerfraß. Der Schmerz war schlimmer als alles, was ich mir bisher vorstellen konnte. Ein bösartiger Zerstörungsschmerz ohne jede Gnade.
W eit mehr als ich ertragen konnte. Ich musste weg! Dringend weg.
Dennoch stand ich da wie versteinert, konnte mich nicht bewegen . Nur überleben. Vielleicht nicht einmal das.
Während Thorsten und ich uns anstarrten, sprach keiner ein Wort. Die flotte Frau in dem roten Spaghettiträgerkleid schaute zwischen uns hin und her wie der Schiedsrichter eines Tischtennisturniers.
„H allo, Sie sind wohl eine von Thorstens Abgelegten“, sagte sie spitz zu mir, ganz zu Recht ihrer weiblichen Intuition vertrauend. „Oder doch hoffentlich keine Aktuelle?“
So direkt angesprochen überwand ich meine Schockstarre und sprach, wenn auch etwas zittrig: „Nein, nur eine Abgelegte.“
Jetzt gewann das Bedürfnis zu flüchten die Oberhand gegen die Lähmung in meinen Beinen. Ich drehte mich um, setzte bewusst einen Fuß vor den anderen, als würde ich einen Roboter steuern. Mein Auto stand zehn Meter entfernt am Straßenrand. Dort angelangt zog der Roboter den Autoschlüssel aus der Tasche.
Ein starker Arm schlang sich um mich. Ich stemmte mich dagegen, auch nachdem ich erkannt hatte, dass es Mick war.
Obwohl er mich nur mit dem rechten Arm an sich drückte, da er mit dem linken noch immer den blöden Nudelsalat hielt, spannten sich seine Muskeln so schraubstockartig um mich, dass ich nicht freikam.
„Es tut mir Leid, Upline, es ist alles meine Schuld! Ich bin so glücklich mit Freya, da wollte ich… oh Scheiße, ich wollte dich und Thorsten auch zusammen sehen, weil ihr so gut zueinander passt. Weil er bei dir immer so… gut drauf ist. Drum habe ich ihn eingeladen. Wie du hat auch er rumgezickt und wollte nur kommen, wenn du nicht da wärst. Jetzt weiß ich warum. Ich hatte keine Ahnung, dass er mit seiner neuen Trophäe anrückt, echt nicht!“
Wie er mich an sich drückte und wie sein Kinn über mein Haar strich, so wie Thorsten
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