Liebhaberstück Xenia (German Edition)
wir?“
„Weniger keltisch, mehr germanisch. Da stand was von Yggdrasil, dem Weltenbaum, den Mark in jedem Baum verehrt.“ Unvermittelt sprang ihre Stimme um auf Hingerissenheit. „Stell dir vor, Mark bei einem Ritual in einer Vollmondnacht, wenn er nackt Odin anruft…“ Sie seufzte. „Bei der Kundgebung in Berlin ergibt sich sicher eine Möglichkeit, ihn mit ein paar überaus intelligenten Fragen zu beeindrucken. Denn bald wird er nicht mehr so leicht zu erreichen sein.“
„Wieso?“
Sie entnahm den Teefilter und goss den Tee ein. „Liest du nicht die Survival-News? Weil er für ein halbes Jahr mit dem Schiff vor irgendwelchen Ölplattformen kreuzen und sie entern will, damit sie mit ihren lecken Leitungen nicht mehr das Meer beschmutzen.“
Sehnsüchtig seufzte ich. „Was für ein mut iger Mann!“
„Tollkühn.“ Freya setzte sich an die offen stehende Bürotür, um den Laden im Auge zu behalten.
„Männlich “, ergänzte ich.
Freyas Blick richtete sich in schwärmerische Fe rnen.
Meiner folgte. „Nein, ein Kämpfer.“
„ Durchtrainiert und breitschultrig ist er auch.“
„Du wirst Mick lieben!“
„Mal sehen. Dein Mick muss morgen schon einen recht guten Kampf abliefern, wenn er gegen sexy Mark anstinken will!“
Da s melodische Glockenspiel an der Boutiquetür zeigte an, dass Kundschaft nahte. Freya erhob sich, verkaufte dieses rotgelbe Top aus dem Schaufenster an einen Teenager und kehrte zu mir zurück.
Während wir Tee tranken, besprachen wir in zügiger Routine das Ritual, das wir an Mabon zelebrieren würden, dem Fest der Herbsttagundnachtgleiche, um uns dann ausgiebig dringlicheren Dingen zuzuwenden, etwa der Frage: Was ziehen wir morgen an?
Mir war nach etwas Verrücktheit. Nach all den Jahren zw ischen sterilen Hebammenkitteln und Business-Outfit wollte ich mal wieder etwas völlig Anderes.
Etwas Ausgefallenes.
Freya was sowieso dafür zu haben, schon von Berufs wegen, und holte diverse Kleidungsstücke aus ihrem Lager. Während sie für sich einen sexy schwarzen Catsuit wählte, hielt sie mir ein nicht minder gewagtes Leoparden-Minikleid hin. „Das habe ich extra für dich bestellt. Probier mal!“
Zögerlich zog ich es an, das besorgniserregend kurze Teil.
„Pass t!“, war Freyas Expertenkommentar. „Nur die Schuhe nicht. Bring morgen Highheels mit! Und vergiss nicht die geländegängigen Treter für das Ritual!“ Sie rückte sich ihren beneidenswert üppigen Busen unter dem Catsuit zurecht. „Wie wird dein Mick wohl reagieren, wenn wir bei seinem Kampf kreischend auf und ab springen, wie damals bei Bret Hart?“
Sie meinte jene Wrestling-Show, bei der wir uns für den gutaussehenden Champion Bret Hart die Stimmbänder aus dem Hals geschrieen hatten.
Ab und zu taten wir so was Durchgeknalltes. Und der g eplante Besuch von Micks Meisterschaftskampf fiel irgendwie in die gleiche Kategorie.
„Wie ich ihn kenne , würde ihm das gefallen.“ Ich zog den Saum des Minikleids nach unten und betrachtete mich in dem größeren der beiden Wandspiegel. „Aber die seriösen Sportler der deutschen Boxerriege würden uns sicher dezent aus der Halle entfernen lassen. Und Mick könnte mich nie wieder zu einer Konzeptpräsentation bei einem seiner Boxerfreunde mitnehmen.“
Ein Blick auf Freyas Uhr sagte mir, dass ich mich verabschieden musste.
„Du arbeitest zuviel!“ Mit diesem Standardsatz verabschi edete sie mich.
„ Also bis morgen!“ Mich erwartete immerhin ein wichtiger Nachtermin, da ich zur Qualifikation für das Johnson-Treffen selber noch einen neuen Geschäftspartner brauchte.
Und d en würde ich mir jetzt holen.
Produkte? In der Tasche.
CDs? Auch in der Ta sche.
Info-Mappe? Auch drin.
Starterpaket? Im Auto hatte ich noch zwei.
Timer? In der Tasche.
Schlüssel? In meiner Hand.
Da der Nachtermin ganz in der Nähe stattfand, war ich auch gut in der Zeit. Auch wenn ich das Auto nehmen musste, da es keine g eeignete U-Bahnstation dort gab.
Schnell noch ein Blick in den Spiegel. Mein Kostüm saß, das Make-up auch, die Frisur auch. Da ich eine meiner Kontaktlinsen verloren hatte und die neuen erst am Mittwoch bekommen würde, trug ich heute die Brille, die mir etwas Seriöses gab.
Nach diesem zufrieden stellenden Check wandte ich mich zur Tür. Gerade in dem Moment, als ich sie öffnete, schellte die Türglocke. Vor Schreck fuhr ich zusammen, als Dr. Thorsten Hartmann sich vor mir auftürmte, den Finger noch immer auf dem Klingelknopf.
Zusätzlich
Weitere Kostenlose Bücher