Liebhaberstück Xenia (German Edition)
die ihn am Ring hin- und herlaufen ließ.
Thorsten Hartmann verschwendete nun seine Aufmerksamkeit nicht mehr an mich, sondern konzentrierte sich voll und ganz darauf, seinen Gegner zu massakrieren. Roland Dampfwalze Dänzer, verzweifelt um Deckung bemüht, landete keinen einzigen Treffer mehr. Unerbittlich hagelten Hartmanns Schläge auf ihn nieder, wobei das Publikum mordlüsterne Zustimmung grölte.
Und ich konnte es nicht verhindern, dass sich in mir eine seltsam atemlose Bewunderung für den Doktor unwillkommen breitmachte. Wie er seinen Nasenbeinbruch wegsteckte, anstatt wie normale Männer nach der Intensivstation zu röcheln. Wie er effizient seinen Widersacher fertigmachte! Wie eisenhart sich seine Oberschenkel sicher anfühlen mussten…
Moment! Was tue ich da!? Ich konnte doch nicht einfach so schamlos diese schändliche Orgie der Gewalt zelebrieren und dabei einen Macho bewundern…
Oder ?
Als Roland Dampfwalze Dänzer zu Boden ging, begann der Ringrichter zu zählen. Der Liegende versuchte, sich an den Seilen hoch zu hangeln, doch er erlag der Schwerkraft und rutschte zurück auf den Ringboden. Der Unparteiische beendete seine Zählung mit einer schneidenden Handbewegung. Der Kampf war vorbei.
Der Sieger riss beide Arme hoch in einer Geste puren Tr iumphes. Das Publikum sprang auf und schrie, während Thorsten Hartmann zu seinem Gegner ging und ihn, wenn auch oberflächlich, so doch in eindeutig ärztlicher Absicht untersuchte, ihm auf die Beine half und ihm aufmunternd auf die schweißnasse Schulter klopfte. Hartmanns Nase blutete wieder. Roland Dampfwalze Dänzers Augenbraue auch.
Der Ringrichter nahm die Handgelenke beider Kämpfer und hielt Hartmanns Arm in die Höhe , woraufhin der dickliche Ansager den Sieg von Doktor Hammer Hartmann verkündete. Dieser stieg aus dem Ring, bahnte sich einen Weg durch die anströmenden Gratulanten und verließ die Halle, gefolgt von dem älteren Herrn indem altmodischen Trainingsanzug und Mick.
„Worauf wartest du noch!“ , schrie Freya mir über den allgemeinen Lärm hinweg ins Ohr.
„Was?“ , brüllte ich zurück.
„Willst du ihm nicht nachgehen?“
„Wozu?“
Meine lange Leitung ließ sie hilflos gestikulieren. „Na, ihm gratulieren, sich ihm an den Hals schmeißen, ihn anflehen, der Vater deiner Kinder zu werden, dich ihm in der Umkleide hemmungslos hingeben, das Übliche eben!“
„Nein.“
Am Heben und Senken ihrer Schultern sah ich ihr Seufzen mehr als ich es hörte. Ich wechselte das Thema: „Wie findest du Mick?“ Um das herauszufinden, waren wir schließlich hier. Und sicher nicht wegen Thorsten Hartmann!
„Warte, bis ich ihn kämpfen sehe!“ , antwortete sie. Am ihrem Lächeln sah ich meine Frage jedoch schon beantwortet.
Wir mussten den Meisterschaftskampf im Halbschwergewicht durchstehen, bis wir die beiden Hartmänner wiedersahen. Begleitet von der Musik „Eye of the Tiger“ stiegen sie in den Ring. Der Doktor im grauen Vereinsjogginganzug, das Pflaster noch immer auf der malträtierten Nase, Mick in grau-blauen Boxershorts.
Das Stimmenwirrwarr in der Halle kanalisierte sich zu e inem tosenden Beifall, der verdeutlichte, dass es sich bei dem bevorstehenden Kampf um den Höhepunkt des Abends handelte. Mein Ellbogen stupste Freya verschwörerisch an.
Ihr Blick, der sich bereits an Micks Bauchmuskeln festg esaugt hatte, wandte sich mir verschmitzt lächelnd zu.
Der dickliche Ansager kündigte den Kampf um die deu tsche Meisterschaft im Schwergewicht an: Markus Killer Krönert gegen den Herausforderer Michael The Mig Hartmann. Nachdem der Gong ertönt war, griff Mick The Mig an.
Nicht , dass Mick nicht gut kämpfte – er kämpfte sogar hervorragend und besiegte seinen Gegner schon in der fünften Runde durch K.O. – doch ich musste mich zwingen, mich auf den Kampf zu konzentrieren, da meine Gedanken und meine Augen ungewollt immer wieder zu Micks arrogantem, aufgeblasenem und Ego-gesteuertem Mistkerl von Bruder abdrifteten.
Bis ich i rgendwann zusammenfuhr, als das Publikum zu toben begann. Mick stand in der Ringmitte und sah zu, wie sein am Boden kauernder Gegner ausgezählt wurde und erst wieder auf die Beine kam, als der Ringrichter Micks Arm in die Höhe hielt.
Und dann war erst recht der Teufel los!
Die Zuschauer sprangen von den Sitzen. Unter ihrem ohrenbetäubenden Applaus ging die Stimme des dicklichen Ansagers völlig unter. Thorsten Hartmann und der ältere Herr in dem altmodischen Trainingsanzug umarmten
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