Liebhaberstück Xenia (German Edition)
mich damit langweilte, die Nachwuchstalente des deutschen Boxsports im Ring auf- und abhampeln zu sehen. Gelegentlich beobachtete ich Thorsten Hartmann – natürlich nur aus den Augenwinkeln heraus, damit er es nicht bemerkte – wie er mit dem älteren Herrn in dem altmodischen Trainingsanzug die kämpfenden Jungboxer betreute, die jeweils nach dem Ertönen des Pausengongs in die rechte Ringecke getaumelt kamen. Er ging freundlich mit den Jungen um, verarzte ihre Blessuren, haute ihnen aufmunternd auf die knochigen Schultern, egal, ob sie gewonnen hatten oder nicht.
Irgendwann verschwand er aus der Halle.
Danach durchstanden die kleinen, sehnigen Boxer der Fliegengewichtsklasse langatmige Kämpfe, während Mick der begeisterten Freya das pubertäre Kampfgeschehen genau erläuterte. Wie immer, wenn ich mich langweilte, vertrieb ich mir die Zeit damit, dass ich mein Geschäftsnetzwerk in Gedanken wachsen ließ. Wenn Jörg seinen Augenoptiker ins Geschäft bringen würde, so wäre das der fünfzehnte in einer Linie untereinander, und wenn Beatrix…
Thorsten Hartmann war zurück.
Im Ring. Mit Boxhandschuhen. In Boxe rshorts, grau-metallisch schimmernd mit dem blauen Vereinsaufdruck. Sonst trug er nichts außer Muskeln und Testosteron, straff umhüllt von dieser etwa ein Zentimeter dicken Speckschicht, welche die Körperproportionen von Schwergewichtsboxern gerade noch schlank, aber sehr wuchtig erscheinen ließen.
Er sah zu mir herunter, und erst als er zu lachen anfing, bem erkte ich dass mir der Mund offen stand.
Mick, der jetzt beim Ring stand, schlug seine Hand kla tschend in die behandschuhte seines Bruders, rief ihm etwas zu und setzte sich dann wieder neben Freya. Die schenkte mir einen viel sagenden Blick, wie ihn nur Frauen zustande bringen, so einen Willst-du-dir-den-wirklich-entgehen-lassen?-Blick.
Thorsten Hartmann zwinkerte mir zu und sah umwerfend aus mit seinem selbstbewussten Lächeln, seinem Zwinkern und seiner Gladiatorenstatur. Und ich starrte ihn unverfroren an, wie alle ihn anstarrten, ihn und den anderen Boxer im Ring.
Der war nicht ganz so groß und massig, da für aber drahtig, trug rot-weiße Boxershorts und einen konzentrierten, gefährlichen Gesichtsausdruck.
Aus den Hallenlautsprechern ertönte die Stimme eines dickl ichen Mannes, der am Richterpult saß und den Freundschaftskampf ankündigte „zwischen dem ehemaligen deutschen Meister im Schwergewicht anno 1994, Doktor Hammer Hartmann, und dem ehemaligen deutschen Meister im Schwergewicht 1998, Roland Dampfwalze Dänzer.
Thorsten Hartmann schob sich den Mundschutz hinter die Li ppen.
Der Schiedsrichter zitierte die beiden Boxer in die Ringmitte und sagte zu ihnen irgendwelche Boxerdinge. Der Gong ertönte.
Thorsten Hartmann ging gleich auf seinen Gegner los und attackierte ihn mit brutalen Schlägen. Roland Dampfwalze Dänzer wehrte sich verbissen, fand sich aber bald in den Seilen wieder, halb hängend, halb am Boden sitzend. Der Ringrichter zählte ihn an.
Hartmann wandte sich zu mir, lehnte sich mit einem Ellb ogen auf das oberste Ringseil, nahm sich den Mundschutz heraus und rief mir gutgelaunt zu: „Was kriege ich, wenn ich gewinne? Einen Kuss?“
„Schon möglich“, schaffte ich es immerhin, ihm geistesg egenwärtig zurückzubrüllen. „Aber sicher nicht von mir!“
Eigentlich hätte ich meine Ablehnung noch entschied ener artikulieren müssen, denn ich wusste ja inzwischen, wie begriffsstutzig er in dieser Hinsicht war, doch seine Muskeln irritierten mich und nahmen mir einen Gutteil meiner sonst so gesunden Bissigkeit.
„Wollen wir wetten?“ , maßte er sich an, aber nun schritt der Ringrichter zu ihm und brachte ihn mit herrischer Gestik dazu, sich den Mundschutz wieder in den Mund zu stecken und sich seinem Gegner zuzuwenden, der nun schwankend, aber mit entschlossener Miene in der Ringmitte seiner harrte.
Dieses Mal griff Roland Dampfwalze Dänzer an, kam aber nicht durch die Deckung seines Widersachers, sondern wurde stattdessen in eine Ringecke gedrängt. Ich konnte die Wucht der Schläge hören in den dumpfen Aufprallgeräuschen der Boxhandschuhe und sehen in den Erschütterungen von Hartmanns Rückenmuskeln. Es war klar, dass Hartmanns Gegner chancenlos gegen ihn war. Bald lag Roland Dampfwalze Dänzer am Boden und wurde vom Schiedsrichter abermals angezählt.
Thorsten Hartmann kam erneut in meine Richtung, lehnte sich lässig gegen die Ringseile und zwinkerte mir zu, während ich meinen Rocksaum
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