Liebhaberstück Xenia (German Edition)
wohlklingend und feminin genug? Ich riss mich zusammen und sprach weiter: „Es ist das neue Jahr angesichts des sterbenden alten, da die Ernte eingebracht ist und die Felder brachliegen…“
Ich stoppte mitten im Satz.
Nein, das war kein Auto, nur ein Hubschrauber als ein anonymes, rot blinkendes Motorengeräusch am Himmel. Das Ganze begann mich zu nerven. Mit erzwungener Ruhe sprach ich meinen Text zu Ende.
Das fehlte noch, dass wir uns wegen Mick und seinem u nsäglichen Bruder unsere heiligsten Rituale verderben lassen!
Und d och musste ich voller Ärger feststellen, dass ich mich bei unserem gemeinsamen Schauen in Freyas schwarzes, bauchiges, mit Wasser gefülltes Glas nicht auf den männlichen Gott als den Herrn des Tanzes der Schatten fokussierte, sondern auf das Knacken eines Astes im Unterholz.
Liegen s ie etwa schon auf der Lauer und beobachten uns?
Meiner Freundin rutschte das Glas aus, als sie es voller Anmut zurück vor den Altar stellen wollte. Zum Glück zerbrach es nicht, sondern ergoss nur seinen Inhalt über die schwarzen Altarkerzen, die sofort mit einem ernüchternden Zischen erloschen.
Eine Besonderheit des Samhain-Rituals stellten die Ve rwünschungen dar. Wir stachen mit unseren Ritualmessern in einen faulen Apfel und weihten alles dem Untergang, was untergehen sollte. Und ich vergaß doch glatt, was ich noch alles verfluchen wollte.
Den Rest des Zeremoniells brachten wir so schnell wie möglich und mit einem Minimum der nötigen Andacht hinter uns. Wir verabschiedeten Göttin, Gott und die Elemente, räumten rasch zusammen und fuhren zu Freya, wo wir uns über die Kürbis-Quiche hermachten, die wir zuvor gebacken hatten. Die Portion war so reichlich bemessen, dass wir sie nicht schafften.
Denn schließlich hatten wir diesmal die dreifache Menge zubereitet!
„Sie sind nicht gekommen !“, rief Freya schließlich mit hörbarer Enttäuschung aus.
„Die Mistkerle !“, antwortete ich genauso entrüstet und meinte es nicht scherzhaft.
„Auf Männer ist doch nie Verlass!“ Vor Frust lud sich Freya ein zweites Stück Kürbis-Quiche auf den Teller.
Auch ich genehmigte mir noch eines. „Hast du Mick gesagt, dass wir heute Samhain feiern?“
Sie schluckte ihren Bissen herunter. „Nein, natürlich nicht, aber trotzdem!“
„Wie hätte er es dann wissen kö nnen?“
„Was weiß ich! Er hätte doch im Internet nachschauen kö nnen unter keltische Rituale oder so!“ Sie trank einen Schluck Wein. „Oder er hätte dich ausfragen können!“
„Mich ?“, entfuhr es mir. „Glaubst du, ich hätte ihm das auf die Nase gebunden? Gerade du legst doch immer Wert darauf, dass wir bei unseren heiligen Festen nicht gestört werden! Wir wollen doch sicher auch in Zukunft kein Publikum, oder?“
„Natürlich nicht !“, stimmte sie mir entschieden zu.
„Aber sicher nicht!“, bekräftigte ich nochmals.
„ Ganz sicher nicht!“
Es ist babyleicht, geschäftliche Kontakte für ein Network-Marketing-Geschäft zu machen. Es ist nämlich nichts anderes, als nette Leute kennenzulernen und die interessierten darunter ins Geschäft aufzunehmen.
Man geht einfach in die Stadt, erkundigt sich bei einem sympathischen Menschen, wo beispielsweise die Post ist, und fragt dann, wo man sich grad so schön am Unterhalten ist, den Hilfsbereiten, ob ein zweites Einkommen für ihn interessant wäre. Dann tauscht man Telefonnummern aus und ruft ihn später an, um einen Termin mit ihm für die Konzeptpräsentation auszumachen.
I ch brauchte noch immer diesen neuen Geschäftspartner für dieses Spezialtreffen am Wochenendseminar. Denn ich wollte mich nicht vor Mick mit seinen fünf und Jörg mit seinen sechs neuen Geschäftspartnern gänzlich blamieren.
Da Herr Lodenbichler, mit dem ich fest gerechnet hatte, abgesprungen und Frau Gerhard, die sicher einsteigen wollte, nach wie vor krank war, sah ich mich gezwungen, in die Innenstadt zu gehen, mich locker mit netten Leuten zu unterhalten und einfach ein Paar Telefonnummern zu sammeln.
Dieses Vorhaben verband ich mit einer anderen Besorgung, die ich rasch hinter mich bringen wollte. Schwester Margot hatte mich nämlich angerufen und gebeten, in die Klinik zu kommen und den Bogen mit meinen Personalangaben zu unterschreiben, damit mein Honorar für die Geburtshilfe bei Doris Steinbauer überwiesen werden konnte. Fast war ich versucht, auf das Geld zu verzichten, um mich nicht schon wieder Thorsten Hartmanns beunruhigendem Einfluss auszusetzen, doch dann
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