Liebhaberstück Xenia (German Edition)
sie ging, rief ich ihr noch nach: „Und mit Orange nsaft. Und Croissants mit Marmelade!“ Zum Teufel mit Kalorien und glykämischem Index!
„Sie laden mich zum Frühstück ein?“ Er hob fragend die Augenbrauen. „Meinten Sie das mit dem wundervollen Geschenk, das jeden Mann in Ekstase versetzt?“
„Ja . Mit Essen kann man doch jeden Mann begeistern, nicht wahr? Und das Beste kommt noch: Sie dürfen sich so viel nachfassen, wie Sie wollen!“
Offenbar fre ute er sich über mein Geschenk, denn er lachte.
Ich lachte auch. Dabei müsste ich dringend telefonieren! Bernadette anrufen und Engelrichs. Oder nein, erst mal im Internet meine Geschäftsdaten abfragen, ob das überhaupt stimmte! Und was ich alles noch tun müsste: Meine Stufe-4-Leader-Rede vorbereiten! Und, oh nein, mein Stufe-4-Leader-Kostüm kaufen! Und mich beruhigen…
Stattdessen tat ich gar nichts . Sondern frühstückte mit Thorsten Hartmann. Als hätte sich nichts geändert. Auch die anderen Gäste, die Passanten draußen, die Bedienung, alle benahmen sich normal. Die Kaffeemaschine röchelte ungeniert wie vorher. Dabei war ich gerade Stufe-4-Leader geworden!
Hartmann baggerte mich weiter an, doch ich konnte kaum still sitzen, geschweige denn seinen Andeutungen folgen.
Endlich, endlich Stufe-4-Leader! Die absolute finanzielle Freiheit!
Vom Frühstück brachte ich entgegen meiner sonstigen Veranlagung kaum etwas runter. Die Eier mit Speck schon gar nicht. Die schob ich Thorsten Hartmann zu, die er zusätzlich zu seiner Portion verdrückte.
Später bot er an, mich heim zu fahren. Ich lehnte ab. Dann lud er mich für morgen zum Abendessen ein. Das lehnte ich auch ab, denn ich wollte fair sein und ihm keine Hoffnungen machen, er könnte mich doch noch für seine Einweg-Sex-Ideologie gewinnen. Rasch verabschiedete ich mich und fuhr heim.
Ich hatte ja so viel zu tun! Jetzt, da ich Stufe-4-Leader war.
Hastig hatte ich meine Sporttasche gepackt.
Nicht nur, dass ich mit den Vorbereitungen zu meinen Reden am Halbtages- und am Wochenendseminar anlässlich meiner Stufe-4-Qualifikation genug zu tun hatte. Zu allem Überfluss hatte Olive Murphy, bei der ich zweimal pro Woche irischen Stepptanz trainierte, einen irischen Abend organisiert. Das passte mir zeitlich zwar überhaupt nicht, doch ich hatte schon seit langem versprochen, drei Tänze mitzutanzen.
Und ich war sowieso schon spät dran, weil ich gerade von einer Hausgeburt kam. Dazu hatte ich mich breitschlagen lassen, weil es sich um die Schwester von Beatrix handelte, die da in den Wehen gelegen und deren eigene Hebamme telefonisch nicht zu erreichen gewesen war.
Z uerst waren die Anfänger mit Gruppentänzen dran, dann der Dudelsackspieler und dann Olive Murphy, Carlo und ihre Stepp-Stars mit Solos. Ich war bei den Anfängern.
Eilig parkte ich, nahm meinen Sportbeutel vom Rücksitz und rannte zum Fitness-Center.
Die große Sporthalle des Centers, in der sonst Handball- und andere Turniere stattfanden, war eingerichtet wie ein überdimensionales irisches Pub und gerammelt voll mit Stimmen, Aufregung und dem Geruch nach Irish Stew. Überall hingen Poster und Fotos von Irland sowie Embleme von Guinness und Kilkenny. Ein kleines Podest hatte man als Bühne hergerichtet - sollten wir tatsächlich darauf Platz zum Tanzen finden? Olive hatte uns schon vorgewarnt, dass die Bühne klein sein würde, aber so klein?
Rechts von der Bühne warb ein mit zahlreichen Flaschen bestückter Stand für irischen Whis ky, während ein ganz unter dem Zeichen von Guinness stehender Bierausschank auf der anderen Seite das Bild perfektionierte. Daneben sah ich Ramona hinter einem Vorhang verschwinden.
Ich schob mich an den Darts-Spielern vorbei hinter den Vorhang.
Gleich wurde ich von einer hektischen Olive überfallen, die mich zum Umziehen drängte, von Caren, die mich bat, ihre Schärpe mit Sicherheitsnadeln an ihrem Kostüm zu fixieren, und von Theresa, die mich anflehte, ihr noch mal den Set-Teil des neuen Jig-Tanzes zu zeigen, den ich, so kalt erwischt und aus dem Zusammenhang gerissen, auch nicht gleich abrufen konnte. Während ich krampfhaft versuchte, die Schritte zurück in meinen Arbeitsspeicher zu holen, zog ich mich hastig um.
Wenigstens waren unsere Kostüme sehr schön, wie ich durch einen kurzen Blick in den provisorisch aufgestellten Spiegel feststellte. Figurbetontes schwarzes Top mit durchsichtigen weiten Ärmeln, schwarzer Rock mit keltischem Knotenmotiv aus Goldborte, rote Schärpe.
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