Liebhaberstück Xenia (German Edition)
mühte Frau Koslowski den Schlüssel aus ihrer Handtasche.
Ich sperrte damit die Tür auf, und Hartmann trug die alte Dame in ihr Wohnzimmer, wo er sie auf die Couch setzte. Ungeachtet ihres Protests, sich bloß nicht so viele Umstände mit ihr zu machen, kniete er sich vor sie, zog ihren linken Schuh aus und untersuchte ihren Knöchel.
Vergeblich versuchte sie, ihren Fuß aus seiner Pranke zu ziehen.
„ Keine Sorge, ich bin Arzt!“ Er schaute zu ihr auf. „Es scheint nichts Ernstes zu sein. Höchstens verstaucht.“
„Nein, es fehlt mir nichts!“, bestätigte Frau Koslowski. „Ich bin nur ausgerutscht. Vielen Dank, Herr Doktor! Es tut mir Leid, dass ich Ihnen solche Mühe mache! Ich war bei der Silvesterandacht gewesen, und plötzlich war es so glatt. Ich muss unbedingt Martha anrufen, dass sie daheim bleibt bei dem Glatteis!“
Sie erhob sich, doch ich war vor ihr bei ihrem Telefon im Gang und brachte es ihr. Thorsten Hartmann half ihr aus dem Mantel, den ich ihm abnahm und in die Garderobe hängte, während Frau Koslowski ihr Telefonat machte.
„Gott sei Dank, ich habe sie noch erreicht !“ Sichtlich erleichtert legte sie das Telefon auf den Couchtisch. „Nicht auszudenken, wenn sie schon losgefahren und in das Glatteis geraten wäre! Also, nochmals vielen, vielen Dank für Ihre Hilfe!“
„Dann sind Sie he ute ganz allein?“, fragte ich. Plötzlich frustriert von der Vorstellung, dass die alte Dame Silvester einsam und allein in Ihrer Wohnung begehen musste, fühlte ich mich für sie verantwortlich.
„Das macht nichts, Frau Sachs, wirklich nicht.“
„Sind die anderen im Haus auch hier, Familie Reidel, Herr Schrenk, Schrank, oder wie heißt der ältere Herr im ersten Stock?“
„Herr Schenk ist bei seiner Tochter, schon seit Weihnac hten. Die Reidels sind Schifahren in den Alpen und die Frohmüllers sind auf der Silvesterparty ihres Tennisvereins.“
Was sie alles wusste!
„Warum kommen Sie nicht hoch zu mir, Frau Koslowski?“, schlug ich vor. „Ich habe so viel zu essen vorbereitet, dass ich froh wäre, wenn mir jemand helfen würde, das alles zu vertilgen.“ Und Thorsten Hartmann von mir fernzuhalten.
„Aber ich will doch nicht stören, wenn Sie lieber mit I hrem Freund, dem Herrn Doktor, allein sein möchten!“ Sie schaute unsicher auf Thorsten Hartmann.
„Der Herr Doktor ist nicht mein Freund!“, betonte ich. „Nur ein Gast.“ Und noch nicht mal das! „Niemand sollte heute Nacht alleine feiern! Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Einladung annehmen würden!“
Frau Koslowski lächelte mich an . „Ich habe Kartoffelsalat und Würstchen, die ich beisteuern konnte. Das esse ich jeden Silvester mit Martha.“
„D anke, aber das ist nicht notwendig. Ich habe Unmengen an Essen“, versicherte ich ihr und dachte an die Berge an Köstlichkeiten in meinem Kühlschrank und auf der Anrichte.
„ Doch! Ich bestehe darauf! Sie beide waren schon so nett zu mir und haben mir sehr geholfen. Dass ich auch etwas zu dem Essen beisteuere, ist das Mindeste. Außerdem kann ich den Kartoffelsalat nicht aufheben. Die Würstchen schon, die sind noch im Glas.“
S o nahm ich Frau Koslowski und Thorsten Hartmann mit zu mir in meine Wohnung.
Und Frau Koslowskis Kartoff elsalat.
„Oh, nein, vielen Dank!“ Ächzend verweigerte Frau Koslowski meine Obstkuchenschnittchen. „Ich bin so satt wie schon lange nicht mehr!“
Gar listig hatte ich es eingerichtet, dass sie zwischen Hartmann und mir auf der Couch saß, während ihr zuliebe im Fernsehen der Fröhliche Silvester-Musikantenstadl lief, auf den sie sich, wie sie betont hatte, jedes Jahr mit Martha immer so freute.
Das hat Hartmann jetzt davon!
Im Gegensatz zu der alte Dame verdrückte der Doktor zum Glück nennenswerte Mengen, trug zu Frau Koslowskis ausgiebiger Schilderung der Berliner Nachkriegsjahre höfliche Bemerkungen bei und ertrug auch tapfer das musikalische Alpenglühen mit den Kärntner Edelweiß-Buben.
Um Mitternacht stießen wir mit Hartmanns Champagner an, woraufhin sich Frau Koslowski verabschiedete und all meine Bemühungen, sie zum Bleiben zu überreden, mit dem Hinweis niederschmetterte, sie wäre sehr müde und müsste sich unbedingt hinlegen. Wir brachten sie noch sicher die Treppe hinunter bis zu ihrer Wohnung.
„Das heißt, wir sind jetzt ganz allein“, bemerkte Har tmann so anzüglich, wie nur er klingen konnte, als er mit mir die Treppe wieder hochstieg.
„Damit eines klar ist!“ Ich verstellt e ihm
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