Liebhaberstück Xenia (German Edition)
ihm, packte ihn am Arm und versuchte, ihn zu mir herumzureißen.
Doch während dies im umgekehrten Fall immer so gut klappte, rutschte ich stattdessen auf dem feuchten Gras aus, konnte mich aber dadurch vor dem Fall retten, dass ich das Revers von Hartmanns Jeansjacke zu fassen bekam. Das sicherte mir zudem seine Aufmerksamkeit, während ich klarstellte: „Ich kritisiere Sie nicht. Ich finde, dass Sie so leben sollten, wie es Sie glücklich macht. Und ich schätze Ihre Ehrlichkeit. Doch Sie müssen endlich begreifen, dass unsere Lebenskonzepte nicht kompatibel sind!“
Plötzlich war seine eine Hand an meinem Hinterkopf, seine andere über meinem Steißbein, seine Lippen auf meinen, seine Zunge vor, neben, über, unter meiner.
Und da war er wieder, dieser gemeine Schwindel in meinem Kopf. Und diese verheerende Kraftlosigkeit in meinen Knöcheln, und dieser elektrische Impuls, der durch meinen plötzlich so schwirrenden Körper pulsierte.
„Soviel zur Kompatibilität “, murmelte er gegen meine Lippen, als er den Kuss enden ließ.
Es war, als würde ich aus einer Narkose aufwachen. Ich sah auf zu seinem triumphierenden Lächeln und beeilte mich zu haspeln: „Jetzt sollten wir aber los, sonst kommen wir noch zu spät!“ Bevor er noch etwas Beängstigendes tun konnte, ging ich rasch zur Pension zurück. Dabei hörte ich, dass er mir folgte. Bald war er neben mir.
„Rennen ist zwecklos“, sagte er. „Du entkommst mir s owieso nicht!“
„Es heißt“, warf ich unwillig zurück, „ Sie entkommen mir sowieso nicht. Das heißt, das würde es heißen, wenn…! Was soll das überhaupt heißen? Natürlich entkomme ich Ihnen!“ Erschüttert über mein eigenes wirres Gefasel ging ich weiter.
Thorsten Hartmann lachte nur.
Ich schloss mich denjenigen Geschäftspartnern an, die ihre Pause in der Pension Lochleitner verbracht hatten und sich nun auf den Weg zur Seminarhalle machten.
Peinlich genau achtete ich darauf, neben jedem anderen zu gehen, nur nicht neben ihm . Da Helen ihn wieder mit Beschlag belegt hatte und nun zweifellos versuchte, ihm pikante Details über ihn und mich zu entlocken, und da Freya in eine Konversation mit Bernadette vertieft war, hielt ich mich an Mick.
„Na, Upline, wie läuft’s denn so mit Thorsten?“, fragte der gleich unverblümt.
Da hätte ich mich auch gleich Helen ausliefern können!
„Gar nichts läuft !“, platzte ich heraus.
„Das heißt, du bist immer noch standhaft und lässt ihn a bblitzen?“
Bilder schossen mir durch die Gedanken: der Wildbach, mein Erbeben durch seinen Kuss, meine einknickenden Knie… „Natürlich!“
Mick schmunzelte. „Thorsten hat das wohl noch nicht so ganz kapiert. Er hält dich für eine hochnäsige Zicke, die nur mal wieder ordentlich durchge…“, er unterbrach sich, „…beachtet werden muss.“
„So, tut er das! Nur brauche ich keine Beachtung von einem Trophäenjäger wie ihm!“
„Er war nicht immer so.“
„Ach?“
Mit einem Rundumblick vergewisserte er sich, dass niemand uns zuhörte, und erklärte: „Als er verheiratet war, war er ein fürsorglicher, treuer Ehemann.“
„Ach! “
„Kaum zu glauben, was?“
„Allerdings! Er war verheiratet?“
„Schon lange her.“
„Was hat dann seine Einstellung zu Frauen verändert?“
„S eine Ehe, denke ich. Und wie sie endete.“
„W ie hat sie geendet?“
„Wenn ich dir das sage, Upline, erschlägt mich Tho rsten!“
„Na wenn schon, sag’s mir!“
Er lächelte sein Mick-Lächeln und machte einen Ausfal lschritt nach rechts, wo er Freya abfing, küsste und etwas in ihr Haar murmelte, das sie kichern ließ. Eng umschlungen mit ihr ging er weiter.
Bei Herrn Kindelhauser war kein Stuhl mehr frei. Sonst auch nirgendwo an den Stufe-4-Tischen.
So blieb mir nichts anderes übrig, als mich wieder an „meinen“ Platz neben Frau Kitzbühl zu setzen, die soeben ihren reichen Erfahrungsschatz aus dem Bereich der Bibel-Arbeit im Frauengebetskreis mit dem Herrn Egal-wie-er-hieß teilte.
Diesmal beschloss ich, von den Vorträgen zur Abwech slung mal etwas mitzubekommen, schlug mein Notizbuch auf und nahm meinen Lieblingsstift zur Hand.
Als erstes kam Frau Brenzinger auf die Bühne und frustrierte mich gleich mit ihren üppigen, blonden Locken und dem fröhlichen Statement, dass es überhaupt kein Problem sei, von zehn Interessenten sechs ins Geschäft zu bringen. Mindestens.
Ich hatte noch nie von zehn Interessenten sechs ins Geschäft gebracht. Einen von zehn
Weitere Kostenlose Bücher