Liebling der Götter
Carwardine Islands ist vorbei!« brüllte der Mann über das laute Surren des Ventilators hinweg. »Kurz vor fünfzehn Uhr ergaben sich die gesamten feindlichen Landstreitkräfte einem Mann, der sie offenbar im Alleingang angegriffen hatte. Diesen beispiellosen Akt der Tapferkeit verdanken wir einem jungen Mann aus dem Versorgungstrupp, nämlich dem Gefreiten Jason Derry. Hier spricht Danny Bennet, Spätnachrichten, Mallard Esplanade … George, du stehst auf meiner Reisetasche.«
Mars rieb sich mit den Handballen die Augen, nahm den Schild ab und warf ihn hinten in den Wagen. Na prima! dachte er. Wunderbar, jetzt bloß schnell hier verschwinden, bevor sich’s diese Idioten anders überlegen. Und ein großes Dankeschön an den Gefreiten Jason Derry, wer immer das ist …
Jason Derry?
Mars zuckte zusammen und zerrte dabei so heftig an den Zügeln, daß der Wagen urplötzlich hochschoß, mitten in der Luft ein aufsehenerregendes Wendemanöver unternahm, um schließlich auf einer windgepeitschten Grasfläche unten im Tal eine Bruchlandung zu vollziehen. Da dort die gesamte Gegend mit Tretminen gespickt war, wurde der Wagen in die Luft gesprengt.
Nach einer Weile tauchte am Rand des Minenkraters die Spitze eines verkohlten und heftig hin und her wippenden Federbuschs auf. Mars zog sich langsam an den Fingerspitzen nach oben. Nachdem er sich demonstrativ den Staub abgeklopft hatte, warf er einen ganzen Haufen übel zugerichteter Blechteile sowie die zerfetzten Überbleibsel des Tarnmantels in eine Grube. Dann pfiff er nach dem nun doch einigermaßen lädiert aussehenden Wagen und feuerte fluchend die Pferde an. Als er in Richtung Sonne verschwand, blickte gerade ein Kamerateam in den Himmel, in der Hoffnung, herannahende Harriers filmen zu können.
»He, sieh nur!« rief der Chefkameramann, wobei er mit zitterndem Finger gen Himmel zeigte. »Jetzt guck dir das mal an, Danny!«
Der Reporter blickte nach oben, nickte und zuckte mit den Achseln.
»Wenn man die nicht beachtet, hauen die ganz von allein ab. Hat mal jemand einen Schreiber?«
Jason stand auf, blickte sich nach allen Seiten um und fragte sich, wo er war. Dazu brauchte er nicht lange.
Die Lage war aussichtslos.
Schade, aber egal. Wenn man als Held in eine ausweglose Situation gerät, bedeutet dies noch lange nicht das Ende der Welt, sondern lediglich eine vorübergehende Unpäßlichkeit zwischen zwei neuen Abenteuern. Das geht allen Helden so, vor allem aber wissen sie, wie man damit umzugehen hat.
Etwa gegen Ende des zweiten Filmakts wird der Held gewöhnlich gekidnappt und per Hubschrauber an irgendeinen weit entlegenen Ort verschleppt, wo der Gauner versucht, ihn auf zwar recht unterhaltsame, gleichzeitig aber auch hoffnungslos umständliche Weise aus dem Weg zu schaffen. Natürlich befreit sich der Held und kann gerade noch rechtzeitig aus dem geheimen Schlupfwinkel fliehen, um sich auf die Tragfläche des soeben abhebenden Sportflugzeugs zu schwingen, das der Gauner nun aus unerfindlichen Gründen anstelle des Hubschraubers benutzt. Als nächstes entwickelt sich ein spektakulärer Zweikampf, in dem der Gauner ein böses Ende findet, und dem Helden bleibt gerade noch genug Zeit, aus dem Flugzeug zu springen, bevor es an einem Berghang zerschellt. Wie Sie nur allzugut wissen, befinden wir uns an dieser Stelle der Handlung irgendwo in einer gottverlassenen Gegend, in der es weder Züge noch irgendwelche anderen öffentlichen Verkehrsmittel gibt.
Ein, zwei Schnitte später marschiert der Held auf die Bar eines Spielkasinos zu, trägt eine Smokingjacke und ist für die letzte Pkw/Lkw/Bus/Bahn-Verfolgungsjagdszene bereit, die irgendwo draußen in der Wüste in einem tosenden Flammenmeer ihr Ende findet. Haben Sie schon mal bei solch einem Film die Pausentaste gedrückt, um sich genau anzusehen, was diese Helden an den Füßen tragen? Nein? Nun, ganz gewiß keine Wanderschuhe.
Für das alles gibt es eine völlig simple Erklärung. Jedem Helden reist nämlich ein kleiner halbgöttlicher Funktionär hinterher, und zwar auf einem Gefährt, das in gewisser Weise diesen mit einem Elektromotor betriebenen Golfbuggys ähnelt. Im Kofferraum befindet sich Kleidung in dreifacher Ausführung, ein Waffensortiment, eine Erste-Hilfe-Ausrüstung und normalerweise auch noch eine Thermoskanne mit heißer Suppe. Es ist schon merkwürdig, daß nur so wenige Menschen von diesem nützlichen und äußerst praktischen Service je etwas erfahren haben sollen.
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