Liebling, Ich Kann Auch Anders
oder nach Venedig? Obwohl – Venedig wäre erst noch eine Idee. Wenn mein Roman fertig ist, ich ihn bei einem Verlag untergebracht und den Vorschuss kassiert habe, könnte ich Eva zu einem Venedigtrip einladen. Ja, Superidee! Und ein Grund mehr, die Sache voranzutreiben!
Ich muss zugeben, ich arbeite im Moment wie besessen. Am Morgen, wenn ich aufstehe, habe ich die besten Gedanken. Vermutlich arbeite ich auch im Traum an dem Manuskript. Nach dem Erwachen kann’s nicht schnell genug gehen, bis ich mich an den Schreibtisch setze und loslege. Gegen Mittag mache ich eine kleine Pause mit anschließendem Kaffee und dann setze ich mich an die Übersetzung. Vier Stunden, das muss für mein Tagespensum reichen. Klappt auch meistens. Sofern ich mich nicht im Wörterbuch fest lese. Ein klarer Vorteil von Mini-Wörterbüchern. Da stehen keine spannenden Redewendungen drin. Nur dummerweise sind die Vokabeln, die ich nachschlagen muss, nicht in kleinen Wörterbüchern enthalten. Also ist jedes Nachschlagen eine Herausforderung an meine Selbstbeherrschung. Noch schlimmer ist das mit Lexika. Da bin ich absolut verloren. Im Englischen habe ich sicher auch nur deshalb einen so großen Wortschatz, weil meine Mutter eine Encyclopaedia Britannica besitzt. Von klein auf konnte ich Stunden damit zubringen, darin zu blättern – und sobald ich dann mehr verstand, hab ich mich richtig hineingefressen. So wurde mein Vokabular fast spielerisch erweitert und mein Wissen mehrte sich von Tag zu Tag.
Nach meinen täglichen Übersetzungen zwinge ich mich jedenfalls immer zu etwas Bewegung im Englischen Garten, wenn das Wetter nicht gar so übel ist. Dabei kann ich dann schon im Geiste an der Fortsetzung meines Romans arbeiten. Manchmal, wenn es sich um Dialoge handelt, die mich emotional packen, plappere ich laut vor mich hin, was mir schon etliche merkwürdige Blicke eingetragen hat. Wenn ich die Methode ausbauen möchte, sollte ich mir vielleicht zur Tarnung einen Hund zulegen.
Bei absolut miesem Wetter habe ich auch ein vorzügliches Entspannungsrezept: Ich lasse mir ein Bad ein mit Rosmarin-Essenz und dann spiele ich die Mango-Spechtin. Den Ausdruck hat Eva geprägt, als sie mich zum ersten Mal eine Mango aushöhlen sah.
Also, ich nehme die reife Frucht, steche ein Loch zum Einführen des Löffels hinein und dann löffle ich die Mango aus, bis nur noch der abgeschabte Kern in der hohlen Schale übrig bleibt. Das verlangt einige Geschicklichkeit, ist aber ein durchaus sinnliches und entspannendes Vergnügen.
Im Moment bin ich ausnahmsweise so richtig zufrieden mit mir und ganz stolz, dass ich in der relativ kurzen Zeit schon so viel geschafft habe. Aber meine Freundinnen versorgen mich auch wirklich mit reichlich Stoff. Eva mailt mir alle paar Tage die neuesten Aufzeichnungen ihres Tagebuchs und Sibylle versorgt mich telefonisch mit Informationen und Ratschlägen, die allerdings sehr häufig bereits da Gewesenem gleichen.
Eigentlich sollte ich mich ja allmählich um einen Verlag kümmern, aber andererseits möchte ich das Baby am liebsten gar nicht aus der Hand geben, bevor es nicht vollendet ist.
Ich könnte mich sonst wohin beißen, dass ich gegenüber S. S. das Thema überhaupt zur Sprache gebracht habe. Denn nun wird sie vermutlich insistieren, dass ich es ihrem Verlag anbiete. Aber das ist natürlich unmöglich, weil sie selbst im Roman vorkommt. Beni auch. Und ihre Affäre mit Beni. Zudem Benis Beziehung(en) zu mir! Vermutlich sollte ich mir ein Pseudonym ausdenken. Danach muss ich die Geschichte überarbeiten, was identifizierbare Anhaltspunkte betrifft! Dann brauche ich einen Verlag, für den ich noch nicht so viel gearbeitet habe, dass mein Pseudonym gleich auffliegt. Puh! Es ist deutlich weniger problematisch anderer Leute Geschichten unters Volk zu bringen als die eigenen!
Aber ich möchte Sie nicht länger mit meinen Erwägungen und Überlegungen aufhalten. Beamen wir uns doch lieber wieder nach Italien, damit Sie erfahren, was sich dort bei Eva und Francis abspielte.
23
Gegen halb drei am Nachmittag erreichten sie die Heimatstadt von Romeo e Giulietta. Sie fuhren ins Zentrum. An einer Ampel fragte Eva, die ja gut Italienisch spricht, den Fahrer im Alfa-Cabrio neben ihr (der sehr interessiert zu ihnen herüberäugte) nach der Via Roma, der größten Straße in der Nähe ihres Hotels. Signor Alfa erkundigte sich nach der genauen Adresse und Eva nannte den Namen des Hotels. Daraufhin forderte er sie auf, ihm zu
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