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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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begehrlichen Blicke natürlich nicht, ließen sie jedoch fröhlich auf sich wirken.
    »Wenn ich in Italien aufgewachsen wäre, hätte ich sicher nicht so lange geglaubt, ich sei hässlich«, sagte Eva.
    »Du – hässlich? Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Doch, es gab Zeiten, da hatte ich überhaupt keine Lust, auszugehen, weil ich dachte, alle Menschen würden mich hässlich finden und mich ihre Verachtung spüren lassen.«
    »Das ist ja komplett verrückt!«
    »Erziehung zur Bescheidenheit und Demut.«
    »Unglaublich! Aber bitte, sieh dich nur um. Falls du noch den geringsten Zweifel hegen solltest, dass du eine Bellezza bist, dann beobachte mal die Männer, die dich bewundernd anstarren!«
    »Auf Schritt und Tritt und aus glutvollen Augen. Aber diese Blicke gelten vor allem dir, mia bella bionda!«
    »Weißt du was? Ich hätte Lust, uns solche verspiegelten Sonnenbrillen zu kaufen und genauso fies zurückzuglotzen – ohne dass die unsere Augen sehen. Wir könnten ja noch ein bisschen anzüglich dazu grinsen«, fantasierte Francis.
    »Tolle Idee!«, pflichtete Eva ihr kichernd bei, die den Vorschlag natürlich nicht ernst nahm, die Vorstellung jedoch auch sehr reizvoll fand. Vor allem amüsierte sie sich darüber, wie die doch eher reservierte Francis Weizenegger immer mehr aus sich heraus ging und sie beide in ihrem Verhalten zunehmend jungen Mädchen glichen. Es passierte immer öfter, dass sie vergaß, wer ihr Mann war. Mehr und mehr nahm sie sie als Freundin wahr, als liebenswerte, begeisterungsfähige Kameradin. Und dann fiel ihr wieder das Geheimnis ein, das noch immer zwischen ihnen schwebte. Aber sie verdrängte den Gedanken schnell wieder, um die Faszination des Augenblicks zu wahren.

    »Es ist verrückt«, schwärmte Francis, »ich fühle mich so gelöst, glücklich und jung. Und das Leben scheint plötzlich in allen Richtungen offen zu stehen.«
    Magnus würde sicher nicht in Begeisterung ausbrechen, wenn er seine Frau in dieser Form erlebte. Eva konnte sich des Gefühls der Genugtuung nicht erwehren. Darüber hinaus war sie sicher, er empfände jedes Mal Unbehagen, wenn er daran dachte, dass seine Frau sich in ihrer Gesellschaft tummelte – und überlegte, was sie ausplaudern könnte. Inzwischen war bestimmt auch seine Überzeugung ins Wanken geraten, Eva würde sich grundsätzlich in vornehmer Zurückhaltung üben, nachdem er sich aus ihrem Leben verdrückt hatte. Ihr Auftritt im Inselhotel dürften ihm ihre Unberechenbarkeit und die Gefahr, die von ihr ausging, deutlich gemacht haben. Was mochte ihn erst erwarten, wenn sie zurückkehrten?
    »Ich sollte unbedingt Magnus anrufen, um ihm zu sagen, dass wir gut angekommen sind«, seufzte Francis, in deren Kopf wohl auch gerade Magnus herumspukte. Jetzt ist er bestimmt im Tennisclub. Das ist gut, dann spreche ich ihm auf den Anrufbeantworter, und er hat keine Gelegenheit, mir einen Dämpfer zu verpassen.«
    Aha, dachte Eva, sie schätzt ihn als Spielverderber ein. Ausgerechnet den Mann, der sich mit Vorliebe als Homo ludens bezeichnet. Sie reichte der Freundin das Handy, nachdem sie die Nummer unterdrückt hatte. Die Rechnung ging auf. Zumindest insofern, als der Anrufbeantworter ansprang. Francis’ Begeisterung kam vermutlich ziemlich ungefiltert in Deutschland an. Ohne Evas Einverständnis einzuholen, richtete sie auch von ihr einen lieben Gruß aus. Aber den gönnte sie Magnus, zumal er in Verbindung mit Francis’ euphorischer Stimme ohnehin für genügend Irritation sorgen würde.

     
    Sie brachen beizeiten in die Arena auf. Mehr als zwanzigtausend Personen soll das Amphitheater aufnehmen. Und sie hatten wirklich ein Riesenglück mit den Plätzen des alten Ehepaars. Die befanden sich zwar im zweiten Parkett, aber dennoch in der ersten Reihe – also direkt am Geschehen. Ihr Genuss wurde nur dadurch beeinträchtigt, dass links von ihnen ein Amerikaner saß, der eine nahezu betäubende Alkoholfahne schwenkte. Zuerst hatte Francis die Last, doch nach der ausgedehnten Pause tauschte Eva mit ihr den Platz, um ihr Leid zu teilen.
    Beide hatten schon bessere Rigoletto Aufführungen gesehen, waren aber dennoch restlos begeistert, denn das Ereignis, die Oper unter freiem Himmel in der Arena zu erleben, war einfach sensationell.
    Die Vorstellung fing um neun an, als es gerade zu dämmern begann. Dann wurde der Mond sichtbar, als dünne Sichel, wenige Tage nach Neumond. Doch die Sicht war so klar, dass sich außer der blassen Mondsichel auch der

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