Liebling, Ich Kann Auch Anders
dunkle Schemen des kompletten Rondells abzeichnete. Und mit zunehmender Dunkelheit zeigten sich allmählich mehr und mehr Sterne am Himmel, bis das Firmament von strahlendem Gefunkel übersät war.
Da die Pause sehr großzügig bemessen war, flanierten sie zuerst ein wenig durch die Arena und stellen fest, dass Röcke, Hosen und Hemdsärmel kürzer wurden, je höher die Besucher auf den Stufen des Amphitheaters saßen. Bei der überwiegenden Zahl der Gäste, die sich auf den Steinstufen niedergelassen hatten, schien es sich um Touristen zu handeln. Zu ihrem mäßigen Erstaunen – denn wie könnte es an einem so weltberühmten Ort auch anders sein – traf Francis eine Bekannte. Die junge Französin, die im letzten Jahr Marie-Roses Austauschpartnerin gewesen war. Sie war mit einer Gruppe junger Leute angereist und erzählte, sie hätten schon Stunden vor Beginn der Vorstellung ihre billigen, jedoch nicht nummerierten Plätze ergattert und im Kreise lauter sympathischer Menschen in der Arena zu Abend gegessen.
Nach dem kleinen Kreuz-und-quer-Gang nahmen Eva und Francis noch ein Glas Prosecco in der Bar zu sich. Dort trafen sich die Leute der teuren Plätze, die zum überwiegenden Teil in elegante Abendgarderobe gewandet waren. Auch sie hatten sich natürlich ausgesprochen schick gemacht. Francis trug einen eleganten taubenblauen Hosenanzug und Eva ein eng anliegendes schwarzes Kleid mit Spaghetti-Trägern und eine violette Stola.
Erst nach Mitternacht kehrten sie ins Hotel zurück, doch zu ihrem Erstaunen herrschte dort in der Bar noch Hochbetrieb. So ließen sie den zauberhaften Tag bei einem weiteren Glas Prosecco ausklingen.
Als sie ins Zimmer kamen, fragte Eva die Mailbox ihres Handys ab. Leonardo hatte angerufen. Eva und er waren zu einer Talkshow eingeladen und sollten am Samstag nach München fahren. Er hatte für beide zugesagt und hoffte inständig, Eva würde ihn nicht hängen lassen.
»Damit ist die Verlängerung unserer Reise wohl hinfällig«, seufzte Francis, fügte jedoch hinzu, als sie Evas betretene Miene sah: »Ich hätte mich wahrscheinlich eh nicht getraut, gleich beim ersten Mal derart über die Stränge zu schlagen!«
Als Eva am Morgen aufwachte, spürte sie Francis’ Arm, der sie umschlang.
Jahrelange eheliche Gewohnheit, dachte sie, war aber dennoch gerührt. Weiterschlafen konnte sie jetzt natürlich nicht. Auch wollte sie keinesfalls, dass Francis erwachte. Sie lag also unbeweglich wach und wünschte, Magnus könnte just in diesem Moment einen Blick in ihr Zimmer werfen.
Flavio Pellegrino kam pünktlich zur verabredeten Zeit und brachte einen Freund mit, Alessandro di Lucca, der auch Mitte dreißig sein mochte und fast noch attraktiver war als Flavio. Die beiden führten die Damen in ein sehr gepflegtes und teures Restaurant, wo offenbar großer Wert darauf gelegt wurde, zu sehen und gesehen zu werden. Flavio hatte einen Tisch reserviert, und die Ober behandelten die kleine Gruppe mit deutlicher Ehrerbietung. Während sie zu ihrem Tisch geleitet wurden, grüßten die beiden Herren überaus freundlich nach allen Seiten. Sie schienen in diesem Kreis bekannt zu sein und es sehr zu genießen, sich mit so schönen Begleiterinnen zu schmücken. Da Francis kaum Italienisch sprach, erfolgte das Gespräch auf Englisch, was die Herren trotz ihres deutlichen Akzents ganz ausgezeichnet beherrschten.
Das Essen war vorzüglich, der Wein ebenfalls und die Gespräche drehten sich um Reisen in fremde – sprich außereuropäische – Länder. Denn die vier betrachteten sich zumindest für die Dauer des Mahls als Angehörige eines Volkes, der Europäer. Und so ließ sich dann ganz heiter und mit liebevoller Ironie über die Eigenheiten und -tümlichkeiten der Völker anderer Kontinente plaudern und scherzen. Der Schwerpunkt lag dabei eindeutig auf der verklemmten Sexualmoral der Amerikaner. Auf diese Weise ließen sich ja auch immer wieder bestens Ansichten und Einstellungen der anderen herausfinden. Spielerisch, mit Anekdoten, scherzhaft und niveauvoll.
Wieder schlich sich der Gedanke an Magnus in Evas Geist. Es würde ihm zweifellos missfallen, seine Frau mit wildfremden Männern scherzen und lachen zu sehen. Dazu noch mit zwei so attraktiven, die darüber hinaus noch nicht einmal trübe Trottel waren. Die beiden arbeiteten für ein international agierendes Wirtschaftsberatungsunternehmen und waren recht oft in den USA. Um Familien zu gründen, hatte – wie beide bedauernd gestanden – die
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