Liebling, Ich Kann Auch Anders
auflegen?«
»Nein, hat noch Zeit. Es sind nur zwei Maskenbildnerinnen für uns alle da.«
»Bleib so, wie du bist!«, ruft Sibylle, »und du wirst dich vor Verehrern kaum retten können!«
Eva lacht. »Das will ich ja gerade vermeiden. Übrigens ist David mit in die Show gekommen.«
»David?«
»David de Marco, der Illustrator. Ich hatte gestern im Flieger eine Idee für eine neue Wolli-Episode. Ausnahmsweise nicht aus Leos, sondern aus meinem eigenen chaotischen Liebesleben.« Sie kichert. »Na ja, und das brachte mich darauf, mich bei ihm zu melden, wenn ich schon mal in Berlin bin. Er hat sich mordsmäßig gefreut, und da er nichts anderes zu tun hatte, ist er mit in die Show gekommen. Es brauchte zwar ein paar Sätze, um für ihn eine Gästekarte zu ergattern, aber schließlich hat’s geklappt. Er saß in der dritten Reihe und hat mich immer aufmunternd angelächelt. Jetzt kommt er noch auf einen Umtrunk mit. Er ist ein ganz Netter. Ich glaube, ich werde ihn mit Leonardo verkuppeln.«
Typisch Eva. Wo sie geht und steht, denkt sie daran, wie sie anderen zu ihrem Glück verhelfen kann.
»Denk lieber an dich selber!«, dröhnt Sibylles Ratschlag.
»Also, wie war das mit dem neusten Cartoon?«, erkundige ich mich.
Sie kichert. »Auf dem ersten Bild sitzt Wolli am Schreibtisch vor dem Computer und verfasst mal wieder eine E-Mail. In der Denkblase steht: ›Und wie, lieber Theo, darf ich mir dich vorstellen?‹ Auf dem zweiten Bild sehen wir – ebenfalls vor dem Computer – einen total hässlichen, mickrigen Typen. In seiner Denkblase steht: ›Meine Freunde nennen mich Adonis oder Apollo.‹ Dann siehst du wieder Wolli. Er träumt, sieht einen Jüngling vor sich – Michelangelos David. Auf dem nächsten Bild erscheint wieder Theo, der in die Tasten haut. Mit dem Text: ›Aber du darfst Champ zu mir sagen.‹ In Wollis Fantasie verwandelt sich David in einen posierenden Muskelprotz.
Auf dem letzten Bild sehen wir wieder Theo. Hinter ihm geht eine Tür auf und ein anderer Typ ruft: ›Hey, Fuzzi, nennst du das etwa Klo putzen?‹«
»Ulkig«, sage ich und Sibylle lacht. Ich bin mir sicher, dass die Idee mit Davids Illustrationen weitaus komischer wirken wird, als Evas Worte das jetzt vermuten lassen. Vielmehr begeistert mich allerdings, dass Eva ihre eigenen Interneterfahrungen aufs Korn nimmt. Darüber zu lachen ist der effizienteste Schritt zur Besserung. Vielleicht berauben dergleichen lästerliche Visionen den schillernden Marcel doch ein bisschen seines faszinierenden Glanzes.
»Ich glaube, ich komme gleich dran! Schönen Abend noch euch beiden!«
»Dir auch! Und tu dir was Gutes und vernasch den Studenten!«, ruft Sibylle von der Couch aus.
Eva lacht und lässt einen Schmatz vernehmen.
»Wegen der Brille muss ich wirklich mal ein Wörtchen mit ihr reden.«
»Das kannst du zwar tun, aber es wird nichts nützen. Ihre Mutter tutet ja schon seit Jahren in das Rohr. Sie meint, ohne Brille hätte Eva längst einen Mann gefunden. Worauf Eva kontert, blinde Hühner fänden zwar auch Körner, aber sie könnten die guten nur schwerlich von den vergammelten unterscheiden.«
»Mein Gott, dann soll sie eben Linsen tragen. Das tun wir ja schließlich auch.«
»Ja, aber sie ist nicht so dafür. Im Übrigen weiß ich wirklich nicht, was du hast. Heute gelten Brillen doch als schick. Und Eva steht ihre sehr gut. Diese Vorurteile über Brillenschlangen und Blaustrümpfe sind doch nun wirklich obsolet.«
»Das schon, aber ’ne Brille ist nun mal nicht sexy.«
»Rote Augen auch nicht. Mich stößt jedenfalls eine Brille nicht ab.« Ich verzichte darauf, ihr zu gestehen, dass ich zu Hause auch immer eine Brille trage. »Eva hat übrigens erzählt, stark fehlsichtige Männer seien die besseren Liebhaber …«
Nun schaute Sibylle aber verblüfft drein.
»Ja, die sind mehr darauf angewiesen, ihre Hände zum Einsatz zu bringen.«
»Es lebe der Maulwurf.«
»… abgesehen davon habe ich mal gelesen, dass es Männer gibt, die von Brillen geradezu fasziniert sind, weil sie die beiden Gläser mit den Brüsten assoziieren.«
»Na ja, ein Perverser muss es ja auch nicht gerade sein! Apropos – hinter so einem Internetheini kann sich doch wer weiß was verbergen.«
»Sicher. Aber wenn ihn Eva am helllichten Tag in der Öffentlichkeit trifft, geht sie wohl kein allzu großes Risiko ein.«
6
Eva blieb, wie geplant, drei Tage in Berlin. Im Hotel konnte sie ihr Zimmer zu den Konditionen verlängern, die der
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