Liebling, Ich Kann Auch Anders
Ypsilon.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass Missverständnisse zwischen Mann und Frau genetisch programmiert sind?«, fragt der Student. Er sieht wirklich gut aus und hat auch noch eine angenehme Stimme. Auch ich würde ihn ihr gönnen. – Mir übrigens auch!
»Ich will nicht ausschließen, dass zumindest eine Disposition vorhanden ist. Ein X-Chromosom besitzt fünftausend Gene, Bruder Y nur dreißig. Das heißt, Frauen haben viertausendneunhundertsiebzig Gene mehr als Männer. Könnte es da nicht sein, dass wir differenzierter denken, fühlen, handeln?« Sie lächelt verschmitzt und lenkt, während sie vom einen zum anderen blickt, versöhnlich ein: »Aber bitte, ich bin weder Biochemikerin, Psychologin oder Theologin, sondern Sprachwissenschaftlerin. Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen, Männer und Frauen benutzen zwar dieselben Worte, belegen sie jedoch mit unterschiedlichen Inhalten. Und dafür könnten unter anderem doch wohl auch die Chromosomen verantwortlich sein …«
»Na, das möchte ich so aber nicht stehen lassen«, protestiert der Psychologe, doch Eva hebt, ihm Einhalt gebietend, die Hand. »Moment bitte, ich war noch nicht fertig: Da wir mit der Gabe des Wortes gesegnet sind …«, hier wird der Pfarrer eingeblendet, der ihr ein wohlwollendes Lächeln schenkt, »steht uns immerhin die Möglichkeit offen, uns miteinander abzustimmen und gegenseitig aufzuklären.«
»Allso, wenn isch wat von de Männer jelernt hab, dann isset, datt de klipp un klar sare muss, watte wills, sons krieste jarnix«, sagt die ehemalige Prostituierte, die in einem Projekt für Aussteigerinnen engagiert ist.
»Bitte sehr, meine Worte«, ruft Sibylle, die anscheinend während ihrer Nebenbeschäftigungen tatsächlich alles mitbekommt. »Klar ist es einfacher zu sagen, ich will dies, und das da will ich nicht. – Einfacher, da primitiver. Und Männer sind nun mal primitiv. Darauf müssen wir uns einstellen. Es ist doch ein kompletter Blödsinn, sie so verändern zu wollen, dass sie uns verstehen oder sich am Ende unsere Denkweise zu eigen machen. Ts, lächerlich! Das ist genauso sinnlos, wie wenn du ’ner Sau ein Ballettröckchen anziehst und erwartest, dass sie sich wie ’ne Tänzerin bewegt.«
Im Anschluss folgt wieder einmal eines ihrer überaus kompetenten Referate über den sinnvollen Umgang mit Männern, das mit zahlreichen mir inzwischen wohlbekannten persönlichen Anekdoten gespickt ist. Da ich alles schon kenne, schweife ich in Gedanken ab. Habt Erbarmen mit den Männern!, möchte ich gelegentlich sagen (ohne allerdings Monsieur de Montherlant meine Reverenz zu erweisen).
Wie Eva bin ich der Meinung, dass der Dialog zwischen den Geschlechtern sehr wichtig ist. Klar sehen Männer viele Dinge anders als wir. Und viele unterstellen uns aus ihrer Sicht heraus dieselbe Sichtweise wie die ihre. Aber ich sehe darin weniger bösen Willen als Gedankenlosigkeit oder mangelndes Einfühlungsvermögen. Denn oft vermasseln sie sich mit der Tour ja selbst jegliche Aussicht auf Erfolg.
Der Pfarrer spricht eine ganze Weile mit einem Gesichtsausdruck, der bei jedem Beruferaten zu einem klaren Ergebnis führen würde. Die Gymnasiastin erzählt etwas mit ernster Miene, der Psychologe fuchtelt mit den Händen herum, die Ex-Hure sagt noch etwas, worüber alle lachen, was ich auch gern getan hätte. Aber meine Gastgeberin ist nicht zu bremsen. Vielleicht wirken ihre stetigen Attacken auf mein Hirn ja doch noch eines Tages zu meinem Vorteil. Schließlich kommt sie wirklich besser zurecht als ich. Während sie weiter palavert, spricht der Medizinstudent. Eva lächelt ihn ganz reizend an und ergreift das Wort. Sibylle bremst das ihre.
»… dann rate ich Ihnen, genau das zu praktizieren«, worüber wieder die ganze Gruppe lacht. Ich kann aber leider nichts damit anfangen, da ich den Zusammenhang nicht erfasst habe. Zu guter Letzt verkündet der Moderator noch ein harmonisierendes Schlusswort und dann ist der Zauber vorbei. Kurz darauf klingelt das Telefon.
»Das ist Eva«, vermute ich. »Soll ich rangehen?«
Sibylle nickt. Meine Vermutung trifft zu. Ich drücke auf die Lautsprechertaste.
»Habt ihr alles gesehen?«
»Ja, du warst toll!«
»Klasse!«, ruft Sibylle, »und hervorragend geschminkt. Ich hoffe, du hast dir jeden Handgriff gemerkt.«
»Natürlich nicht. Ich war doch viel zu aufgeregt. Aber jetzt werden wir wieder abgeschminkt und dann gehen wir alle was essen.«
»Hast du es eilig? Musst du gleich
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