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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Magen getreten. Fast eine Stunde lang saß ich gekrümmt vor meinem Notebook, drückte die verschränkten Unterarme gegen den Leib, las diese Zeilen immer wieder aufs Neue und fühlte mich speiübel. Nun bin ich zumindest wieder fähig, Arme und Finger zu bewegen. Als Erstes habe ich versucht, dich anzurufen, aber du warst nicht da. Also schreibe ich dir, bitte dich um Rat – oder doch zumindest Gehör.‹

     
    Es klingt vielleicht roh, aber trotz des aufkeimenden Mitgefühls für meine Freundin und der Wut auf den Mann, der sie so leiden ließ, konnte ich der Geschichte doch auch eine Menge Komik abgewinnen. Aber das wollte ich geflissentlich für mich behalten. Auf die Schnelle interpretierte ich für mich Marcels Brief. Er bestand überwiegend aus Geschwafel. Interpunktion und Großbuchstaben (ich hab den Käse korrigiert. Meinen geneigten Leserinnen und geschätzten Lesern zuliebe – und weil mir selber die roten Schlangenlinien meines Korrekturprogramms auf die Nerven gehen) sparte sich der Herr grundsätzlich, dafür ging er umso großzügiger mit dem Personalpronomen ich um, was meine Einschätzung bestärkte, er handle unter masturbatorischen Motiven. In dieses Bild passte es dann auch recht gut, dass ihn plötzlich der Mut verließ, als Eva sich als eine real existierende Person entpuppte. Ob er ihre Kolumnen beim Friseur las oder seine Frau das Blatt abonniert hatte, in dem sie erschienen? Egal, er war jedenfalls eingeknickt. Ist sie zu stark, bist du zu schwach, dachte ich, verbat mir aber sogleich, mit diesem Idioten in inneren Dialog zu treten. Stattdessen griff ich zum Telefon und rief Eva an.

    »Ich fühle mich so gekränkt, gedemütigt und im Stich gelassen!«, jammerte sie.
    »Gedemütigt fühlen musst du dich nicht. Er ist doch derjenige, der sich vor lauter Demut nicht unter deine Augen traut    – aus Furcht vor deinem Glanz!«
    »Das ist doch Geschwätz.«
    »Ganz ohne Zweifel.«
    »Bestimmt gefalle ich ihm nicht, findet er mich potthässlich.« Bitte sehr, da war er wieder, der alte, wirksam eingeimpfte Komplex. Danke, Frau Gallus, danke, Herr Dr. Gallus, ihr liebevollen Eltern!
    »Eva, das ist kompletter Stuss. Aus Marcels Geschwafel spricht doch nur die Angst, dir nicht genügen zu können.«
    »Warum lässt er nicht mich entscheiden – oder zumindest mitreden?«
    »Weil er sicher ist, dass er ohnehin keine Chance bei dir hätte. So nimmt er lieber Abstand, um deinem gesenkten Daumen zu entgehen. Vielleicht ist er ja mickrig und hässlich, hinkt, stinkt und stottert. Alles möglich. Zwei Fakten wissen wir nun allerdings sicher: Er ist ein Stück älter als du und verheiratet. Lies seine Zeilen mal genau. Er kann keine gesetzlich legitimierte Verbindung anbieten – bla bla bla – weil er sonst in eine rechtliche Zwickmühle geriete. So steht’s wörtlich da. Wenn du willst, kannst du das sogar als theoretischen Antrag interpretieren, den lediglich ein bis ans Lebensende geleisteter Schwur verhindert.«
    »Ist doch Schwachsinn!«
    »Hm, ja. Ich wollte es nicht so deutlich sagen.«
    »Sag mir ruhig alles! Es kann nur besser werden.«
    »Nimm’s als der berühmte Homo ludens, den er immer bejubelt!«
    »Das kann ich nicht. Dafür ist meine Fantasie schon zu konkret. Und dafür habe ich auch zu viel Zeit in diese Geschichte investiert.«
    »Er aber noch mehr Gesü…«
    »Mag ja sein, aber trotzdem hat er nicht das Recht, jetzt April, April zu sagen und alles hängen zu lassen. Ich hasse es, wenn Leute was versprechen und es dann nicht halten!«
    »Das geht mir genauso, aber jetzt lass uns die Dinge doch mal nüchtern sehen: Du bist intelligent, umwerfend erotisch, witzig, jung, schön, beliebt und bekannt.«
    »Danke für die Blumen!«
    »Nichts zu danken, ist mein voller Ernst. Aber sag mal ehrlich: Womit sollte dich noch einer beeindrucken?«
    »Er hat mich doch schon beeindruckt! Mit seinem Esprit, mit seinem Humor, seiner Fantasie, seiner Bildung, seinen zärtlichen Worten, seinen erotischen Anspielungen.«
    »Sicher, und das weiß er auch. Aber bis vor ein paar Tagen hättest du noch ein unbekanntes Mauerblümchen sein können oder eine geistreiche Vogelscheuche. Da rechnete er sich Chancen aus, betrachtete seinen Ehering als größten vorstellbaren Schönheitsfehler. Dass Männer sich darüber ziemlich lässig hinweg setzen, wissen wir ja beide. Nun hat er aber geschnallt, dass du in einer anderen Liga spielst.«
    »Meinst du?«
    »Ja, das meine ich. Dumm ist er ja

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