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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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stutzen.
    Als sie jedoch ins Internet eintauchte, um ihre Absage zu versenden, traf sie auf Marcels Mitteilung, ihm sei etwas dazwischen gekommen, das Treffen müsse an einem anderen Tag stattfinden.
    Der Triumph der Verweigerung schmolz wie Eis in der Mittagssonne.
    Es folgten Mails, in denen er Eva tatsächlich das Recht auf Mitsprache bei der Termingestaltung einräumte. Aber nun zeigte Eva eine gewisse, und meine Hoffnung auf Genesung nährende, Bockigkeit. Sie wollte sich erst nach ihrer Rückkehr entscheiden, was angeblich Marcels absurde Trennungsschmerzen ob ihrer angekündigten Abstinenz ins fast Unerträgliche steigerte.

    Eva nahm die Autofähre nach Meersburg, um in Friedrichshafen abzufliegen. Als sie an die Reling des Oberdecks gelehnt auf den See blickte, ging ihr Marcels letzter Schrieb noch durch den Kopf. ›Mir legte die Wehmut die Konsequenzen zu Füßen. Deine Stimme zu hören, könnte das Ende des Spiels mit der Leichtigkeit bedeuten. Aber so wird es nicht sein, niemals, sagt meine weise Seele. Und mein Herz …‹
    Die Anspielung auf Javier Marias’ Roman entzückte, die Sturheit, mit der er ihr ein Telefongespräch verweigerte, ärgerte sie.
    Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit ließ sie stets das Handy eingeschaltet. In der Hoffnung, er könnte sich doch eines Besseren besinnen und sich bei ihr melden. Mit jeder Minute, die sie nun vergeblich wartete, wuchs ihr Ärger über sich selbst und mit jedem Anruf unerwünschter Dritter die Wut auf Marcel. Dann allerdings drückte sie die emotionale Umschalttaste und rief sich seine verbalen Abschiedszärtlichkeiten in Erinnerung. Die stimmten sie sogleich gewogen: ›Noch nie habe ich ein so sprühendes, faszinierendes, wundervolles, liebenswürdiges, anbetungswürdiges, hinreißendes, vergnügliches, lustvolles, allumfassend weibliches briefliches Gegenüber gefunden. I’m forever on fire because only you can satisfy my desire. All my love! Du fehlst mir schon jetzt!‹
    Na bitte, das war doch was! Auch ein Bruchteil dieser Bekundungen hätte sie, wie vermutlich die meisten Frauen, in Hochstimmung zu versetzen vermocht.
    Sie schaute sich alle männlichen Passagiere an Bord an. Wem traute sie dergleichen Briefe zu? Keinem einzigen! Marcel war ein wunderbares Unikat. Vermutlich einer der wenigen Männer auf dem Erdball, der sie in vollem Umfang zu schätzen wusste und der mit ihr exakt auf derselben Wellenlänge lag. Natürlich wollte sie ihn in Fleisch und Blut erleben – nein, sie musste! Das Schicksal lässt nicht den idealen Partner in dein Leben treten, auf dass du ihn nie mit allen Sinnen wahrnimmst.
    Wenn sie nur vorher mehr darüber hätte in Erfahrung bringen können, was sie erwartete! Vielleicht würde er sich ja doch noch rumkriegen lassen, sie anzurufen – nächste Woche, nachdem sie vier Tage nichts voneinander gelesen hatten und seine Sehnsucht hoffentlich stärker war als seine grausamen Prinzipien.

     

5

    Szenen einer dreifältigen Frauenfreundschaft II

     
    Eva, Sibylle und ich sind in Sibylles Wohnzimmer präsent.
    Sibylles Wohnzimmer, ihr Penthouse überhaupt, Scheidungstrophäe aus ihrer zweiten Ehe mit einem Bauunternehmer, war schon häufig in einschlägigen Hochglanzmagazinen abgebildet. Es ist ein großer heller Raum. Das Tageslicht fällt von zwei völlig verglasten Seiten ein. Bei Nacht sorgt das entsprechende Lichtdesign für die nötige Erhellung. Der Raum ist überwiegend mit weißen oder durchsichtigen Möbeln ausgestattet, was ihm, Zitat eines Design-Blattes: ›eine geradezu metaphysische Transluzidität verleiht.‹ Mein Po hat zu diesem Thema ja eine eindeutig weniger positive Meinung. Auf Plexistühlen – mögen sie noch so transluzid und ihr Design auch preisgekrönt sein – sitzt er eindeutig unbequem und ungern. Aber zum Glück gibt es auch ein sowohl edles als auch bequemes Möbelstück: Sibylles Sofa, das mit geschmeidigem naturweißem Leder bezogen ist.
    Dass in diesem milchig-gläsern-durchscheinenden Ambiente Blumenarrangements und eine raffiniert in eindrucksvollen Farben gekleidete Hausherrin ganz vortrefflich zur Geltung kommen, ist der tiefere Grund dieser zurückhaltenden Blässe des Interieurs.
    Nun also lümmelt Sibylle neben mir auf dem famosen Sofa, während Eva uns gegenüber auf dem Riesenbildschirm des hypermodernen Fernsehers zu sehen ist.
    Ihrer vorletzten Glosse, in der sie sich genüsslich über die unterschiedliche Interpretation ein und desselben Wortes bei Mann und Frau

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