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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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nicht.«
    »Na, wenigstens lässt du noch ein gutes Haar an ihm.«
    »Eva was soll das? Stell mich jetzt nicht hin wie einen Habicht, gegen den du als Gluckhenne dein Küken verteidigen musst!«
    »Entschuldige, das geschah unbewusst.«
    »Ganz offen gesagt: Sei froh, dass es so gekommen ist!«
    Sie war sich da noch nicht so sicher, wollte aber darüber nachdenken und kam schließlich zu der Erkenntnis, dass ihre Pein zumindest Stoff für Leonardos Projekt abwarf. Der hatte dann auch, als Eva nicht mehr ausschließlich mit Herzchen in den Augen über ihre Korrespondenz mit Marcel sprach, ein weit geöffnetes Ohr. Mit Sicherheit genoss er es sogar, sich die Berichte über ihre Seelenqual anzuhören. Endlich war er auch einmal der Starke in ihrem Duo.

     
    Vielleicht sollte ich hier mal was richtigstellen. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich Leonardo aus meinem subjektiven, von Eifersucht getrübten Blickwinkel heraus bislang eher karikiert als beschrieben und bin ihm in keiner Weise gerecht geworden. Im Gegensatz zu meinem schiefen Bild des Weicheis und Neurotikers handelt es sich bei ihm um einen wertvollen, liebenswürdigen, gut aussehenden Menschen, den nicht nur sein eigenes chaotisches Leben bewegt, sondern der sich durchaus auch für interessante soziale Projekte engagiert.
    Zwar war ihm Evas Anwesenheit wichtig und nützlich, aber   – entgegen Sibylles Unterstellung – war er keiner von denen, die Eva schamlos ausnützten. Er verlangte keine Miete von ihr und hatte, bevor sie kam, alles so weit geregelt, dass sie über ihre eigene Telefonnummer und einen Internetanschluss verfügte. Und das alles nicht etwa, weil er im Geld schwamm, sondern weil er ihr auch eine Freude bereiten wollte. Im Grunde lebt er ziemlich bescheiden, besitzt kein eigenes Auto, isst in der Mensa und kocht während der Ferien selbst. Für die Wohnung bezahlt er allerdings relativ wenig Miete. Dafür hilft er jedoch im Garten und geht des Öfteren seiner Vermieterin zur Hand. Auch diese alte Dame, Frau Keller, ist Witwe. Sie hat keine Nachkommen. Deshalb hat sie die hübsche kleine Jugendstilvilla in der dritten Zeile hinter der zauberhaften Seestraße auf Rentenbasis mit lebenslangem Wohnrecht veräußert. Nun bekommt sie jeden Monat mehr dafür, als sie ausgeben kann. Deswegen war es ihr wichtiger, einen Menschen im Haus zu haben, der ihr genehm ist als einen, der viel bezahlt. Sie ist zwar schon über achtzig, aber noch sehr vital und an vielen Aspekten des Lebens interessiert. Die Gespräche mit Leonardo regen sie an und halten ihren Geist für aktuelle Themen wach, mit denen sie ansonsten nur im Fernsehen konfrontiert würde.
    Leonardo hat sie auch schon in Seminare mitgenommen, wo sie den jungen Leuten Auskunft über die Lebensumstände vor fünfzig, sechzig, siebzig Jahren erteilte. Mit großer Spannung hatten vor allem die Studentinnen zugehört, als sie von ihrem Studium erzählte. Leonardo plant nun, an der Uni verstärkt integrative Projekte voranzutreiben, bei denen alte mit jungen Menschen zusammenkommen und gemeinsam wissenschaftlich arbeiten können.
    »Da kommt weitere Pressearbeit auf dich zu«, verkündete er Eva, als er ihr von dem Vorhaben erzählte. »Nur wenn wir damit an die Öffentlichkeit gehen, können wir erreichen, dass sich die Dinge etwas schneller bewegen als das sonst auf dem lahmen Dienstweg üblich ist.«
    Nun aber engagierten sie sich mit Feuereifer für das Internetprojekt.
    »Ein mindestens so gewichtiges Problem wie die Anonymität bei den Internetkontakten dürfte die Verquickung von Fantasie und erotischen Zielen sein«, resümierte Eva ihre jüngste Erfahrung. »Ich habe mich ja schon oft mit Menschen getroffen, die ich nicht kannte. Geschäftliche Blind Dates in Restaurants und Cafés. Das war völlig unproblematisch, weil keine erotischen Absichten dahinter steckten. Dass sich im einen oder anderen Fall dennoch etwas ergeben hat oder hätte ergeben können, steht auf einem anderen Blatt.«
    »Ja, das ist der Normalfall. Du lernst jemanden kennen, entwickelst Sympathie oder Antipathie und dementsprechend vertiefst du die Sache oder belässt sie auf der Eingangsstufe. Bei einem Blind Date, das aus einem Mailwechsel hervorgeht, ist hingegen meist von Anfang an Sex impliziert.«
    »Als verschärfend empfinde ich auch, dass du dich wegen der hohen Geschwindigkeit des Austausches extrem schnell in die Sache reinziehen lassen kannst. Früher musstest du deinen Brief zur Post tragen. Dann war

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