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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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gesorgt. Die Saat war aufgegangen, keimte, trieb Sprossen. Sie sah es klar, empfand die Korrespondenz mit diesem außergewöhnlichen Mann jedoch trotz allem als enormen Gewinn und wollte verhindern, dass der Acker aufs Neue verdorrte.
    Als sie heimkam, duschte sie nur mit schwachem Strahl, um Leonardo nicht zu wecken. Dann setzte sie sich an ihren Computer und schrieb einen Brief an Marcel, in dem sie ihm in wohlgesetzten ironischen Worten zu verstehen gab, dass sie sein Verhalten für egozentrisch und unfair hielt. Von ihrem Schmerz ließ sie nur wenig durchsickern – gerade so viel, wie ihr Stolz zuließ. Doch forderte sie ihn erneut zu einem klärenden Telefongespräch auf.

    Leonardo war trotz ihrer Behutsamkeit wach geworden und dem Lichtschein gefolgt. Nun stand er in der Tür und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    »Was soll denn das werden? Sleepless in Konstanz?«
    »Sieht ganz so aus. Ich bin schon gelaufen, aber es hat nicht geholfen.«
    »Magst du zu mir kommen, Schwester? Ich halt dich fest und wärme dich.«
    Eva gab ihrem Selbstmitleid nach und nahm die Einladung an. Leonardo schlang die Arme um sie und küsste sie auf den Nacken. Dann schlief er wieder ein. Noch eine ganze Weile lag sie wach und alle möglichen Visionen schlichen sich in ihre Gedanken. Sie stellte sich vor, sie säße im Theater und Marcel womöglich auf dem Platz neben oder hinter ihr. Er würde sie die ganze Zeit beobachten, belauern, beurteilen. Und sie war völlig ahnungslos. So ähnlich mussten sich die Aktricen in Peepshows fühlen, dachte sie, und beschloss, zu diesem Thema gelegentlich berufliche Recherchen anzustellen.
    Und dann kam ihr, dass ich mit meinen Ahnungen am Ende doch recht hätte. Dass der abrupt zurückgewichene Flirtpartner mit den Bemerkungen über seine Unzulänglichkeit vielleicht tatsächlich die Wahrheit zum Ausdruck brachte und womöglich ihnen beiden einen Gefallen erwies, indem er sich nicht zeigte.
    Für den Moment hatte der Gedanke etwas Beruhigendes. Zumindest verhalf er ihr dazu, noch ein paar Stunden zu schlafen. Bis ich sie um neun telefonisch weckte.

     
    »Komm nach München!«, lockte ich, nachdem sie mir ihre bewegte Nacht geschildert hatte. »Lass den Kerl und das ganze Problem hinter dir! Ich werde dich aufheitern. Und dann machen wir uns mal wieder so einen richtig schönen lazy sunday afternoon auf deinem Sofa. Mit Billy Wilder und Knobi-Dopi.«
    Eva hat eine umfangreiche DVD-Sammlung. Französische Melodramen und italienische Komödien sind eher für ihr privates Abendprogramm vorgesehen, während die Hollywoodkomödien, natürlich auch in der Originalversion, bislang fast ausschließlich sonntagnachmittags Verwendung fanden. Sie wirken besonders euphorisierend, wenn wir uns zuvor ein ganz spezielles Gericht einverleibt haben. Ich möchte Ihnen das Rezept dieses kulinarischen Stimmungsaufhellers zu Ihrem eigenen Besten nicht vorenthalten. Schließlich habe ich Eva oft genug bei der Zubereitung zugesehen.
    Für zwei Personen brauchen Sie mindestens zwei Knollen Knoblauch und zur Neutralisierung des Geruchs fünfzig Gramm frisch geriebenen Ingwer, zwei Fleischtomaten oder entsprechend mehr kleinere, zehn grüne und zehn schwarze Oliven (aber keine kastrierten! Oder gar – Horror aller feinen Zungen – mit rotem Paprika-Schnipsel drinnen). Die Kerne pulen Sie bitte selber raus! Hinzu kommen zwei Esslöffel voller Kapern und sechs im Mörser zerstoßene Chili-Schoten. Wenn Sie es nicht gern so scharf mögen, entsprechend weniger. Sie geben Olivenöl in einen kleinen Topf, fügen den nach Belieben fein oder grob geschnittenen Knoblauch hinzu und dünsten ihn bei mittlerer Hitze etwa fünf Minuten. Dann werfen Sie die anderen Bestandteile dazu. Die Kapern lassen Sie natürlich ganz. Und nun köchelt diese Mischung vor sich hin. Etwa zehn weitere Minuten. Dazu gibt’s Fusilli oder Spaghetti aus Dinkel. Zur Not tut’s auch Hartweizen. Das, meine Lieben, ist das korrekte Rezept. Unsere Passion, der heimliche Ketzerinnen-Genuss, für den wir heroisch Rügen aus kultivierterem Munde in Kauf nehmen, besteht allerdings darin, dass wir zur beschriebenen Soße für unsere Teigwaren (Eva nimmt ausschließlich die Vollkornvarianten aus dem Reformhaus, aber alle anderen erfüllen den Zweck ebenso) eine spezielle Zubereitungsart wählen. Unsere Teigwaren werden nämlich nicht al dente, sondern alla labbia gekocht. Also etwa doppelt so lang. Sie ließen sich dann theoretisch mit den Lippen

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