Liebling, Ich Kann Auch Anders
über seine Lebensumstände. Zwar ziert er sich, mir seinen Namen zu nennen, doch den des Hundes und der Putzfrau teilte er mir sehr wohl mit. Ebenso weiß ich, dass die Perle jeden Morgen kommt, um den Hund zu füttern und nach dem Rechten zu sehen. Ansonsten heißt’s: Cerbi allein zu Haus … Schau doch, wie das arme Tier sich über Gesellschaft freut!«
Der Hund schien wirklich begeistert über unseren Besuch zu sein. Er schleifte das Badetuch im Maul herum, und wich nicht von Evas Seite. Wir zogen uns aus und schwammen. Alle drei. Ohne Schweißtuch. Das musste Eva ihrem neuen Freund zuvor mühsam abringen.
»Ich wäre ja zu gern dabei, wenn er es Magnus vor die Füße legt. Es trägt meine Initialen …«
Vom See aus wirkte das mimosengelbe Haus wie ein Barockschlösschen. Eine ausladende Treppe mit geschwungenen Steingeländern führte von der Terrasse, welche die Breite der ganzen Front einnahm, auf einen Rasen, der sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hatte, eine Wiese zu werden. Die Befestigung der Uferböschung aus Natursteinen, die bis zum Bootshaus reichten, war von Stufen unterbrochen, die zum feinen Kiesstrand führten.
Am Fuß dieser Treppe ließen wir uns schließlich nieder, lehnten uns an die Mauer und benutzten die Treppe als Tafel für unser Picknick.
»Ein Traum, so zu wohnen!«
»Ja, zweifellos. Aber nur, wenn du motorisiert bist. Die Kinder sehen das sicher auch so. Die Verkehrsanbindung zum Ort ist zwar gut, aber vom Bahnhof hierher – das sind fast drei Kilometer. Und Busse verkehren eher selten. Wenn sie sich mit anderen jungen Leuten treffen wollen, sind sie oft darauf angewiesen, dass sie jemand chauffiert. So kurz mal nach dem Abendessen Freundin oder Freund auf eine heimliche Zigarette am beliebten Treffpunkt zu sehen, ist nicht drin. Das Haus sieht aus wie ein Schlösschen, ist aber in Wahrheit ’ne Burg. Eine Trutzburg gegen spontane soziale Impulse …«
»Vielleicht ist dafür das Familienleben umso besser.«
»Könnte sein. Mit der Mutter verstehen sich die Kinder wohl sehr gut. Mit dem Vater nach seinen Aussagen auch. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er viel Zeit für sie übrig hat. Er ist oft im Tennisclub, liest eine Menge, ist bestens über das Fernsehprogramm informiert, verbringt Stunden über Stunden vor dem Computer. Und arbeiten sollte er ja auch noch gelegentlich ein Stündchen.«
Magnus ist Diplomkaufmann und Immobilienmakler. Seine Spezialität sind Prestigeobjekte wie alte Villen und geschichtsträchtige urbane Gebäude. Sein Auftreten, seine gesellschaftliche Stellung und vor allem die weitverzweigten Beziehungen seiner Familie und der seiner Frau räumen ihm gute Referenzen und einen enormen Vertrauenskredit ein. Seine Mutter entstammte einer alteingesessenen Konstanzer Pädagogen-Familie und sein Vater hatte die Schreinerei seiner Eltern zu einem Möbelhaus für exklusives Wohnen ausgebaut, das heute sein Bruder leitet. Seine Frau Francis stammt aus dem Frankfurter Raum, wo ihre Familie recht kräftig in der Pharmaindustrie mitmischt. Ihre Verwandten sind in diesen Kreisen bestens vernetzt, was Magnus optimal nutzt. Mit einer einstelligen Zahl an Abschlüssen, die er im selben Maße seinem Renommee wie seiner Eloquenz verdankt, kann er angeblich bestens leben, ohne sich ein Bein auszureißen. Ein erquickliches Dasein umgeben vom diskreten Charme der Bourgeoisie.
»Wie alt sind die Kinder eigentlich?«
»Marie-Rose ist sechzehn und Thomas zwölf.«
»Dann könnte das Mädchen ja zumindest selbst mobil sein. Mit einem Roller oder dergleichen.«
»Das würde Magnus nie zulassen! Wozu hat das Kind eine Mutter? Zur Schule fahren sie mit dem Zug, zum Bahnhof mit dem Rad, das ist zwar zeitraubend, aber es klappt ganz gut. Das Problem ist die Freizeit. Schließlich sind nicht alle Tage wie dieser. Von Herbst bis Frühjahr herrscht hier oft ein Wetter, wie wir es aus Droste-Balladen kennen. Manchmal kommt vier Wochen lang kein Sonnenstrahl durch den Nebel oder die Wolkendecke.«
Die Vorstellung ließ uns den herrlichen Tag noch mehr genießen. Ein Nachmittag im Garten des Geliebten meiner Freundin …
Bei aller Zuneigung rebellierte Eva momentan innerlich gegen selbigen, was sie allerdings als heilsam empfand und meinem günstigen Einfluss zuschrieb.
»Ich muss nur deine Mimik verfolgen, während ich dir von ihm erzähle, dann komme ich schon ein bisschen zur Vernunft. Wenn deine Gedanken Tag und Nacht um dieselbe Person kreisen,
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