Liebling, Ich Kann Auch Anders
verlierst du doch jedes Maß.« Sie lachte. »Na ja, du vielleicht nicht, aber ich.«
Ich lachte ebenfalls. »Oh doch, ich auch! Benis wochenlange Belagerung hat sich auch auf mich wie eine Gehirnwäsche ausgewirkt. Aber das Beste ist: Ich war sauer, dass er ohne mich verreist ist. Und nun bin ich ihm absolut dankbar!«
»Tja, siehst du und deswegen sollte ich vermutlich auch Magnus dafür dankbar sein, dass er eine Familie hat, die mich auf Distanz zu ihm hält.« Sie seufzte. »Dennoch fand ich’s blöd, dass er unser letztes Rendezvous mit seinen Bemerkungen über Loyalitätsprobleme vergiftet hat. Er hat mich übrigens auch gebeten, ein Plätzchen näher bei Konstanz auszubaldowern, wo wir uns auch mal ohne längere Anfahrt treffen könnten.«
»Aber euer Platz in der Schweiz ist doch ideal!«
»Finde ich ja auch. Aber für Magnus ist er eben deshalb nicht ideal, weil er nicht auf der direkten Verbindungsstrecke zwischen seinem Büro und dem Tennisplatz liegt.«
»Diese Anmaßung! Ich glaube, du hast zu wenig an Sibylles Tipps gedacht, als es Zeit war, die Weichen zu stellen.«
»Den Eindruck habe ich allmählich auch. Dabei gäbe es – vor allem bei schlechtem Wetter – ein ganz wunderbares Plätzchen, das diese Voraussetzung erfüllen würde: Leonardos Wohnung. Aber die ist ihm nicht diskret genug.«
»Ich möchte mir ja nicht deinen Zorn zuziehen, aber mir fällt auf, dass die Zeit, die Herr W. für eure gemeinsamen Freuden aufbringt, drastisch im Schwinden begriffen ist.«
»Das habe ich allerdings auch schon bemerkt. Vielleicht hätte ich ihm keine Uhr geben sollen.«
»Hast du die inzwischen zurückbekommen?«
»Nein, wir haben uns doch seither nicht mehr gesehen. Aber ich weiß ja im Notfall, wo ich sie holen muss.«
»Ich bin aber nicht bereit, Schmiere zu stehen, wenn du hier einbrechen willst.«
»Keine Angst! Das Haus betrete ich nur mit offizieller Einladung. Aber wenn ich es darauf anlegen würde, reinzukommen, wäre mir vermutlich sogar Cerberus behilflich. Doch zu dem, was du vorhin gesagt hast: Es stimmt mich wirklich auch nachdenklich, dass Magnus immer weniger Zeit für unsere Beziehung aufbringt. Andererseits konnte es aber auch nicht weitergehen wie vor ein paar Wochen. Unsere Mailerei und seine Anrufe – das war ja ein Fulltime-Job.«
»Und das, ohne dass eine greifbare Leistung dabei herausgekommen wäre«, sagte ich, als müsste ich meine Hingabe an Beni damit rechtfertigen, dass ich während der Zeit immerhin noch etwas Produktives geleistet hatte.
»Aber ich vermute, das ist auch so ein Aspekt, der Männererwartungen grundsätzlich von Frauenerwartungen unterscheidet. Wenn eine Frau zu einem Mann ja gesagt hat, dann geht sie davon aus, dass nun eine Beziehung beginnt, die täglich wachsen wird, täglich schöner, intensiver und aufwendiger. Der Mann hingegen hat auf dem Weg zum Ja der Frau bereits alle verfügbaren Energien eingesetzt. Wenn er sie endlich rumgekriegt hat, denkt er, nun könnte er sich von den Strapazen des Jagens erholen. Innehalten heißt das bei Magnus. Nachlassen bedeutet es für unser Empfinden.«
»Schwach anfangen und dann stark nachlassen, so beschrieben wir doch früher das Engagement unserer Kommilitonen.«
12
Obwohl ich die Tage am Bodensee in vollen Zügen genoss, zog es mich dann doch wieder nach München. Ich war überzeugt, bei meiner Heimkehr Beni vorzufinden. Erschöpft, ausgehungert und dankbar für all das, was ich ihm zu bieten hatte und gern mit ihm teilte. Aber er war nicht da, als ich heimkehrte. Lediglich seine Stimme auf dem Anrufbeantworter, die verkündete, seine Rückkehr würde sich noch um eine Weile verzögern. Seiner Mutter gehe es schlecht.
Es gibt Männer, die keine zehn Minuten leben können, ohne zu telefonieren und es gibt solche, die sich nur in ganz seltenen, für sie dringenden Fällen überhaupt der Erfindung des Telefons bewusst sind. Natürlich gibt’s auch welche, die damit absolut sinnvoll umgehen. Vermutlich ist das sogar die Mehrheit, aber die fallen eben weniger auf (die Nerven). Beni gehörte jedoch eindeutig zur zweiten Spezies. Er wollte kein Handy und Telefonzellen, die zwar immer rarer werden, jedoch schon noch existieren, schienen sich immer dann in Luft aufzulösen, wenn er gewillt gewesen wäre, eine zu benutzen. Da wir während unserer gemeinsamen Arbeit die ganze Zeit zusammengeklebt waren, hatte sich das Problem nicht gestellt, weshalb es auch keine Veranlassung gab, eine gemeinsame
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