Liebling, Ich Kann Auch Anders
Eintrag ›Weizenegger, Magnus und Francis‹ nebst Nummer und Adresse. Umgehend vermerkte sie die Daten in ihrem Notizbuch. Selbstverständlich juckte es sie in den Fingern, ihn anzurufen. Aber sie beherrschte sich. Wenn die intakte Familie in Pfingstferien fuhr, wollte sie sich etwas näher mit dem Komplex auseinandersetzen …
Ich durfte sie dabei begleiten. Wir verbanden die Recherche mit einer Radtour, unserer zweiten gemeinsamen. Die erste galt dem Tatort und dem ersten Treffpunkt.
Das war übrigens mein Wunsch, denn Evas Schilderungen hatten derart meine Fantasie beflügelt, dass ich nun unbedingt die Originalschauplätze sehen wollte.
Wir gingen allerdings in umgekehrter Reihenfolge vor, zuerst zum idyllischen Liebesnest der beiden, wo wir im See badeten. Die Wassertemperatur lag inzwischen bei geschätzten sechzehn Grad, und wir schwammen eine ganze Weile, ehe wir wieder unter dem Weidenvorhang hindurchtraten. Der Platz war für heimlich-zärtliche Stunden geradezu prädestiniert, und ich stellte mir vor, wie zauberhaft es sein könnte, dort eine laue Vollmondnacht mit Beni zu verbringen. Als ich Eva fragte, ob wir beiden nicht einmal probehalber hier übernachten könnten, fand sie den Gedanken auch sehr reizvoll, nur waren die Nächte im Moment noch ziemlich feucht und unberechenbar kalt.
»Komm eben in ein paar Wochen wieder!«, schlug sie vor. Und ich versprach ihr, darüber nachzudenken. Dabei ärgerte ich mich schon wieder über mich selbst. Kein vernünftiger Grund sprach dagegen, gleich einen Termin festzulegen, nur der überaus unvernünftige Gedanke, mich für Beni und dessen Pläne verfügbar zu halten.
Das Café auf der Stadtmauer entsprach Evas Beschreibung und kam der Vorstellung, die ich mir davon gemacht hatte, sehr nahe: Die ganze Parkanlage drum rum, der See und die freundliche Bedienung sorgten dafür, dass sich umgehend Urlaubsstimmung einstellte. Wir saßen am selben Tisch wie die beiden bei ihrer Premiere und ließen die süßen Köstlichkeiten aus den Eisbechern auf unseren Zungen schmelzen. Mein Blick glitt über den See, die vielen Segel der Boote und Surfbretter, die Motorboote und ein paar Yachten, das Kursschiff und die hügelige Halbinsel Höri gegenüber, eine der bevorzugten Wohngegenden der Republik, wie mir Eva erklärte. »Und eine wahre Künstlerkolonie. Hesse hat hier gelebt, Dix und eine Menge anderer namhafter Künstler. Und da drüben in Gaienhofen, dort, wo du den nüchternen Kirchturm siehst, ist ein Internat. Magnus wäre gern dorthin gegangen, aber das hat seine Mutter nicht erlaubt. Es war zu nah – und noch schlimmer: evangelisch! – Na ja, er hat sich dann ja ganz gut mit den Gegebenheiten arrangiert.«
»Ein traumhaft schöner Flecken Erde! Wie ein weit entferntes Ferienland. Weißt du was? Wenn wir in achtzehn Jahren immer noch Singles sind, feiern wir hier unsere hundert. Mindestens eine Woche lang.«
»Gute Idee, aber warum so lange warten?«
»Du hast recht. Die siebzig … – oder noch besser: Wir feiern hier mein Buch?«
»Was für ein Buch?«
»Meinen Roman.«
»Du hast einen Roman geschrieben?«
»Noch nicht, aber seit ich bei dir bin, verspüre ich zunehmend den Drang dazu. Etwa sechzig Romane habe ich schon übersetzt. Und einen mit dem Autor zusammen bearbeitet. Und da es tatsächlich so freundliche Menschen gibt, die meine Übersetzung ausgezeichnet und auszeichnungswürdig finden, müsste ich doch eigentlich die prädestinierte Autorin sein.«
»Ja klar! Und worüber schreibst du?«
»Über dich zum Beispiel.«
Eva lachte. »Tolles Sujet! – Der erste Fünfzig-Seiten-Roman!«
»Allein das, was ich von dir in den letzten dreizehn Jahren mitbekommen habe, reicht für einen ganzen Romanzyklus! Aber ich stelle mir vor, dass es in meinem ersten Roman um meine zauberhafte Freundin mit dem romanesken Leben geht. Und um eine andere Freundin, die der wandelnde Schönheits- und Männer-Manipulations-Ratgeber ist.«
»Oh ja, Sibylle gibt mehr her als ich. Wirst du auch über Magnus schreiben?«
»Klar. Und über Beni und darüber, dass wir fast gleichzeitig an so völlig gegensätzliche Männer geraten sind. Vor allem aber über unsere Freundschaft.«
»Happy End?«
»Time will show.«
»Ich helf’ dir, wenn ich kann.«
»Super, das kannst du ganz bestimmt.«
»Weißt du, ich habe selbst schon dran gedacht, ein Buch zu schreiben.«
»Klar, daran denken wir alle. Täglich. Aber ich bin jetzt wirklich wild dazu
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