Liebling, Ich Kann Auch Anders
Verlagssekretärinnen rief an. Sie würde am Donnerstag vierzig, wollte einen ausgeben und mich dazu einladen. Wir verstanden uns sehr gut, teilten auch – ohne je ein Wort (dafür genügend Blicke) darüber verloren zu haben – die Abneigung gegen die Servitzky und plauderten gelegentlich über die Dinge des Lebens. Sie liebte Witze, die Männer blöd dastehen ließen, was mir einiges über ihr Leben verriet.
Ich besorgte einen bunten Blumenstrauß und kam wie verabredet eine Viertelstunde vor dem Umtrunk in ihr Büro. Frau Almendinger war bestens in Form. Sie bedankte sich mit Küsschen und schlug vor, wir sollten uns duzen. Ich hatte (im Unterschied zum Vorstoß der Servitzky) nichts dagegen. Künftig würde ich sie also Beatrix nennen, was wir mit Sekt begossen. Sie grinste vielsagend, und kurz darauf wartete sie mit einer süffisanten Enthüllung auf: »Unsere allerliebste Freundin schwebt auf Wolke sieben.«
»Ach ja? Wie schön für sie. Wer ist denn der Unglückliche?«
»Ein junger Dichter, der den Schlüssel zu den Herzen der Frauen in Händen hält …«
»Das kann ihr doch nur guttun!«
Beatrix zog eine ironische Schnute und deklamierte: »Du bist so nah an meiner Seele, es ist nicht zu beschreiben für mich. Solch eine Nähe zu einem Menschen zu finden, hat mich, bevor ich dich berühren durfte, schon atemlos …«
»Schluss, bitte!« – Ich dachte ich träumte. Das war doch nicht möglich! Wie kamen Magnus’ Verehrungsparolen in diese Stadt, in diesen Verlag? An diese Adresse?
Beatrix lachte. Vermutlich noch mehr über meinen Gesichtsausdruck als über ihr Zitat. »Kärtchen mit dergleichen rührenden Worten flattern ihr täglich entgegen, und sie lässt sich nicht bremsen, uns daran teilhaben zu lassen.«
Ganz allmählich begriff ich das Unglaubliche: Beni hatte was mit der Servitzky. Und damit nicht genug: Er verwendete Magnus’ Liebes-Säusel-Sprüche, die er als Gesülze abgetan hatte, um sich bei der Hyäne einzuschleimen. Und ich hatte ihm das Zeug auch noch ausgedruckt und ihm versichert, Frauen wären richtig wild auf so was! Wenn ich elastischer wäre, hätte ich mich in den Hintern gebissen. Ich fühlte mich grauenhaft. Verraten, hintergangen, belogen und betrogen.
»Du kennst ihn doch auch«, sagte Beatrix.
Kennen? Jedes einzelne seiner Schamhaare kann ich beim Vornamen nennen, hätte ich erwidern können. Aber ich schwieg. Indiskretionen äußere ich normalerweise nur gegenüber Eva, Leonardo und (kontrolliert) Sibylle. Aber bei denen kann ich absolut sicher sein, dass sie ausschließlich konstruktiv damit umgehen.
Es war Zeit und wir zogen in den Konferenzraum, wo sich schon einige Leute versammelt hatten, die nun der Reihe nach Beatrix gratulierten. Dann hatte Sieglinde S. ihren Auftritt. Strahlend schwebte sie herein. Pfundweise Schminke im Gesicht, das Skelett in teure Gewandung gehüllt. Nachdem sie bei Beatrix die Honneurs erledigt hatte, kam sie zu mir her und küsste meine Wangen. Ich bedauerte, dass ich nicht fünf Paar Weißwürste gegessen hatte, die ich ihr nun hätte vor die Füße kotzen können.
»Du hast sicher schon von meiner Liaison mit Benedict gehört«, verriet sie mir und zeigte ihr grässliches Hyänenlächeln, das mein Blut gefrieren ließ. »Du kennst ihn ja auch. Sag, ist er nicht süß?«
Und ob ich ihn kenne! Jeden Millimeter seiner ansehnlichen Anatomie. Grüß ihn von mir und richt’ ihm bitte aus, ich ließe fragen, ob ich seine ausgeleierten Unterhosen und die fadenscheinigen Socken in den Kleidersack werfen darf, hätte ich am liebsten gesagt. Ich kochte. Wut, Schmerz und Verzweiflung schlugen Purzelbäume in meinen Eingeweiden.
»Du bist auf einmal so blass. Ist dir nicht gut?«
»Ich muss da wohl was Verdorbenes abbekommen haben …«
»Mach keine Dummheiten! Mit einer Lebensmittelvergiftung ist nicht zu spaßen. – Wir brauchen dich noch!«
Obwohl ich ahnte, dass nichts hochkommen würde, weil ich zu wenig gegessen hatte, stürzte ich zur Toilette und würgte ein wenig galligen Schleim heraus. Aus dem Spiegel im Waschraum schaute mich ein Gesicht an, das einer entfernten todkranken Verwandten von mir hätte gehören können. Ich schloss die Augen, beugte mich übers Waschbecken, ließ Wasser in den Mund laufen und gurgelte die Bitterstoffe nieder. Dann klatschte ich mir ein paar Hände voll ins Gesicht. Geschminkte Frauen müssen auf dergleichen Wohltaten verzichten!
In einer Komödie von Oscar Wilde oder in
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