Liebling, Ich Kann Auch Anders
Männer, die nicht dem Beamtenstand angehörten. Ihre Mutter jedoch, die beim Sauberhalten der ordentlichen Wohnung mit den schweren Eichenmöbeln und beim Abstauben der geheimnisvollen Maske ein Leben in Tagträumen verbrachte, hing dem blendend aussehenden Charmeur an den Lippen und glaubte ihm jedes Wort.
Nun war aber Herbert kein Starfotograf, sondern nur der faule Assistent eines solchen, der den Hallodri wegen seiner Unzulänglichkeiten dann auch recht schnell verabschiedete, bevor Sibylle einen fulminanten Start hinlegen konnte. Den verhinderte Herbert vorsätzlich, indem er ihr im Brautbett einen Exklusivertrag abschwatzte, der sie um jede weitere reelle Chance brachte.
Herbert gelang es zwar, sich mit diversen unseriösen Geschäften über Wasser zu halten, aber als er Sibylle zwingen wollte, sich mit Haut und Haar bei den dubiosen Partys einzubringen, die er für lüsterne Geschäftsleute und wohlhabende Müßiggänger arrangierte, verließ sie ihn und erlangte wegen der Begleitumstände die sofortige Scheidung.
Dem Partygewerbe blieb sie allerdings vorerst treu, jedoch auf seriöse Art – beim renommiertesten Catering-Service der Isar-Metropole. Sie hatte nämlich erkannt, dass es keinen praktischeren Weg gab, hochkarätigen Veranstaltungen beizuwohnen und Führungspersönlichkeiten mit ihrer Erscheinung und ihrem Charme zu beeindrucken.
Ein halbes Jahr später heiratete sie mit großem Pomp – und diesmal auch in der Kirche – Hartwig, einen sehr männlichen, soliden und der Familientradition verhafteten Bauunternehmer, der über all die Qualitäten verfügte, die Herbert vermissen ließ. Allerdings entbehrte Hartwig auch der wenigen Qualitäten, über die Herbert verfügt hatte. Mit anderen Worten: Hartwig war nebst all seinen Tugenden stinklangweilig. Das wurde Sibylle bewusst, nachdem sie sich einigermaßen von ihren Herbert-Schäden regeneriert hatte. Da sie den guten Hartwig nicht vor den Kopf stoßen wollte, suchte sie nach einer Lösung, um die Verhältnisse in ihrem Sinne zu arrangieren. Ein Klassentreffen inspirierte die rettende Eingebung.
Marilies Steger, die Strebsamste und Bravste aus ihrer Klasse, war kürzlich von ihrem Verlobten sitzen gelassen worden und klagte Sibylle ihr Leid. Die war eigentlich gerade auf der Suche nach einer Ausflucht aus diesem Tristesse-Report, als ihr eine wunderbare Idee kam. Mit völlig neuem Interesse sah sie die Kameradin an. Marilies war auf üppig-friedvolle Weise hübsch. Sie wirkte zuverlässig, fleißig und mütterlich. Sibylle sagte, sie mache sich seit einiger Zeit Sorgen um ihre Gesundheit und fragte, ob Marilies, die Krankenschwester war, im Notfall ihre häusliche Pflege übernehmen könnte. Das bedeute allerdings, dass sie auch mit ihr und ihrem Mann unter einem Dach leben müsste.
Marilies wäre am liebsten gleich mitgekommen, um der demütigenden Situation im Krankenhaus zu entfliehen, wo ihr Ex-Verlobter, ein Physiotherapeut, vor aller Augen mit seiner neuen Flamme, einer Assistenzärztin, turtelte. Den eindrucksvollen Hartwig kannte sie von der spektakulären Hochzeit, zu der allein die Braut über hundert Gäste geladen hatte. Sie fand ihn damals umwerfend und beneidete Sibylle in einem Maße, das ihr rechtschaffenes Gewissen erheblich belastete.
Zwei Tage nach dem Klassentreffen legte sich Sibylle kränkelnd zu Bett. Angeblich litt sie unter Leibschmerzen. Tags darauf begab sie sich zur Beobachtung in eine private Frauenklinik. Der Chefarzt diagnostizierte psychosomatische Störungen. Sie bat ihn um Diskretion gegenüber ihrem Mann, für den Psycho ein negatives Reizwort sei. Sie selbst erzählte Hartwig, sie habe eine Fehlgeburt erlitten und könnte nun keine Kinder mehr bekommen. Zwei Tage später ließ sie sich nach Hause fahren und Marilies für die Heimpflege anreisen. Nach weniger als einem Monat hatte sie ihr Ziel erreicht: Der sich künftiger Vater-, Stammhalter- und Nachfolgerfreuden beraubt wähnende Hartwig ließ sich von der vor Fruchtbarkeit strotzenden Marilies trösten.
Kaum drei Monate später war sie schwanger. Hartwigs schlechtes Gewissen bescherte Sibylle eine großzügige Abfindung und wegen ihres noblen Verhaltens sicherten ihr die beiden frisch Verliebten Dankbarkeit bis an ihr Lebensende zu.
Damit hatte sich Sibylles Bedarf an Eheleben erschöpft. Was nicht heißen sollte, dass sie beschlossen hätte, auf Männer zu verzichten. Im Gegenteil. Sie nahm sich, was sie wollte, wann immer sie es brauchte.
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