Liebling verzweifelt gesucht
riet ich seiner neuen Besitzerin, sich einen zweiten Graupapagei anzuschaffen, da diese Vögel häufig unter dem Verlust ihrer Bezugsperson leiden. Rico hatte zu Herrn N. eine sehr enge Beziehung aufgebaut und trauerte ihm offensichtlich nach. Die Gesellschaft eines Artgenossen, der zu ihm passte, könnte ihm helfen, sich in der neuen Situation einzugewöhnen.
Auch ich hatte mich nach der geglückten Aktion mit Rico sehr herzlich bei Herrn N. und Herrn Vogelrieder für ihren Einsatz bedankt. Wenn ich sehe, wie engagiert viele Menschen sich für Tiere einsetzen, ist das auch für meine eigene Arbeit jedes Mal ein großer Motivationsschub.
Die Tötungsstation
Der 13-jährige Rauhaardackel Seppl saß auf dem kalten Betonboden des Zwingers. Er war zusammen mit mehreren anderen Hunden in einem Gitterverschlag eingesperrt. Es gab keine Decke, auf die er sich hätte legen können, und kein Wasser, von Futter ganz zu schweigen. Ein paar Gitterstäbe waren verbogen und ragten gefährlich in den Verschlag hinein. Einige seiner Artgenossen hatten sich daran bereits verletzt. Es roch nach Exkrementen und nackter Angst. Keiner der Hunde hier drinnen bellte. Sie waren alle in einer Art panischer Schockstarre. Sie spürten instinktiv, an welch unheilvollem Ort sie sich befanden. Sie waren in einer der zahlreichen ungarischen Tötungsstationen für streunende Tiere gelandet.
Die ungarischen Gemeinden sind dazu verpflichtet, streunende Tiere einzusammeln und sie in solche Auffangstationen zu bringen, um einer Verbreitung von Seuchen entgegenzuwirken. Hier warten die meisten Tiere auf ihren Tod, die wenigsten werden von einem Besitzer gesucht und abgeholt.
Auch der betagte Rauhaardackel Seppl war von einem Häscher aufgegriffen und in eine Tötungsstationin der Nähe der österreichischen Grenze gebracht worden. Eine Mitarbeiterin der Station sah sich den kleinen Kerl genauer an und entdeckte eine Tätowierung in seinem Ohr. Aus Erfahrung wusste sie, dass es eine Tätowierung aus Deutschland war. Die Mitarbeiterin hatte Kontakt zu einer privaten deutschen Tierhilfeorganisation, die versucht, möglichst viele Tiere aus der Auffangstation an gute Plätze in Deutschland zu vermitteln. Die »Hundepflegerin« gab immer wieder Informationen an die Organisation weiter, weil sie Geld dafür bekam, wenn ein Tier abgeholt wurde. Letztlich ließ sie sich für ihre Auskünfte bezahlen und machte mit dem Leid der Tiere auch noch Profit. Sie teilte den in Ungarn ansässigen deutschen Tierhelfern mit, dass der Rauhaardackel bereits am nächsten Tag zusammen mit einer Reihe von anderen Hunden getötet werden sollte. Da er schon ziemlich alt war, stand der arme Dackel ganz oben auf der Liste.
Die Leute von der Tierhilfeorganisation riefen sofort bei mir an, da sie die Vermisstenstelle im Münchner Tierheim kannten. Sie selbst konnten die Tätowierung des Dackels nicht zuordnen und hofften, ich würde ihnen weiterhelfen. Ich versprach, mich sofort ans Telefon zu hängen, um den Züchter des Dackels ausfindig zu machen. Wenn ich ihn gefunden hatte, würde ich hoffentlich an die Adresse der Besitzer kommen.
Ich stand unter großem Druck. Der Hund saß in der Tötungsstation und die Zeit drängte. Wenn ich den richtigen Züchter nicht rasch ermittelte, konnte es für den kleinen Kerl in Ungarn vielleicht schon zu spät sein. Allerdings, das hatten mir die Tierfreunde aus Ungarnam Telefon gesagt, war die Tätowierung bereits etwas verblasst, sodass die Buchstaben und Zahlen, die ich von ihnen erhalten hatte, nicht eindeutig waren. Ich musste trotzdem mein Glück versuchen und begann, einen Rauhaardackelzüchter nach dem anderen in Gesamtdeutschland anzurufen.
Zunächst gab es nur Fehlanzeigen. Meine Gesprächspartner waren alle sehr hilfsbereit und gaben mir die Telefonnummern anderer Züchter, die noch infrage kamen. Ich kam mir nach einer Weile schon vor wie eine Figur Karl Valentins – der Buchbinder Wanninger. Er wird von einer Stelle zur nächsten verwiesen, bekommt aber nirgendwo die Information, die er dringend braucht. Da ich wusste, wie ernst die Lage war, gab ich nicht auf und telefonierte pausenlos weiter.
Endlich hatte ich Erfolg. Ich stieß auf den Züchter, der den Rauhaardackel vor 13 Jahren verkauft hatte. Die Unterlagen mit der Adresse der Besitzer hatte er allerdings in dem Moment nicht vorliegen. Ich erklärte ihm, warum ich diese Information so dringend benötigte, und er versicherte mir, er würde sofort in seinem Archiv nach
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