Liebling verzweifelt gesucht
der Telefonnummer der Besitzer suchen. Ich kümmerte mich unterdessen um die Fälle einiger anderer Fundtiere, rief den Züchter zwischendurch aber mehrmals an. Ich sagte zu ihm: »Ich weiß, dass ich Sie nerve, aber ich brauche die Kontaktdaten von Seppls Besitzern wirklich dringend. Die Zeit läuft uns sonst davon.«
Der freundliche Züchter antwortete: »Ich habe vollstes Verständnis dafür, Frau Kosenbach. Ich bin dran. Ich habe alles stehen und liegen gelassen und durchforste gerade intensiv meine Aktenordner. Sobald ich etwas finde, melde ich mich bei Ihnen, versprochen.«
Ich saß im Tierheim wie auf glühenden Kohlen. Ich versuchte mich zwar mit anderen Fällen abzulenken, aber mir ging Seppl nicht aus dem Kopf. Schließlich rief der Züchter mich an. Er hatte die Telefonnummer der Tochter der Besitzer gefunden. Das war alles, was er in seinen Unterlagen vermerkt hatte. Ich bedankte mich bei ihm und setzte mich mit der Tochter in Verbindung. Ich erzählte ihr, dass Seppl in Ungarn aufgegriffen und in eine Tötungsstation gebracht worden war und dass nicht mehr viel Zeit blieb, um ihn zu retten. Sie war völlig schockiert, als sie das erfuhr. Seppl war der absolute Liebling der Familie. Ihre Eltern, so erklärte sie mir, waren gerade mit dem Wohnmobil in Ungarn unterwegs. Zum Glück gelang es ihr, sie gleich über das Handy zu erreichen.
Die beiden waren schon ganz verzweifelt. Seppl hatte beim Gassigehen einen Hasen gesehen und war plötzlich davongeschossen. Sie hatten ihn die ganze Zeit gesucht und waren mit den Nerven ziemlich am Ende. Als sie nun von ihrer Tochter erfuhren, wo ihr geliebter Dackel sich befand, waren sie völlig entsetzt. Sie machten sich große Vorwürfe, dass sie nicht besser auf Seppl aufgepasst hatten. Aber nun war keine Zeit, darüber nachzudenken. Nun ging es darum, den Kleinen rechtzeitig aus der Tötungsstation zu retten. Sie packten in aller Eile ihre Campingsachen zusammen und fuhren so schnell wie möglich mit dem Wohnmobil dorthin.
Sie fanden eine beklemmende Szenerie vor. Die gesamte Station machte einen extrem heruntergekommenenEindruck. In einer langen Reihe vergitterter Verschläge waren zahlreiche Hunde untergebracht, die zum Teil in ihrem eigenen Kot lagen. Es stank erbärmlich. Manche Tiere drückten sich ängstlich gegen die Rückwand ihres Verschlags und zitterten nur noch. Kein Hund bellte, als sie an den Zwingern vorbeigingen. Es herrschte eine bedrückende Stille, in der man das ganze Elend dieser armen Geschöpfe wahrnehmen konnte.
Unter Tränen arbeitete sich das Ehepaar weiter vorwärts und sah dabei in viele traurige Hundeaugen. Es tat ihnen unendlich leid, dass sie nichts für die Tiere tun konnten. Endlich kamen sie bei dem Verschlag an, in dem ihr Seppl eingesperrt war. Als er sie erblickte, begann er wie wild zu bellen und zu winseln. Er überschlug sich fast vor Freude. Heilfroh, ihn wiederzuhaben, schlossen sie ihn in die Arme. Der Tötungsstation mussten sie circa 50 Euro für ihren Hund bezahlen. Dann konnten sie diesen Ort des Schreckens wieder verlassen.
Sie waren natürlich sehr glücklich darüber, dass sie ihren Dackel gerade noch rechtzeitig gefunden hatten. Aber gleichzeitig gingen ihnen die furchtbaren Bilder, das Leid der anderen Hunde nicht mehr aus dem Kopf. Seppls Zwingergefährten hatten niemanden, der sie retten würde. Sie waren dem Tod geweiht und würden den nächsten Tag nicht überleben. Auch viele der anderen armen Geschöpfe in der Station würden früher oder später getötet werden. Es brach den N.s fast das Herz, dass sie den anderen nicht hatten helfen können. Nach einer Fortsetzung ihres Urlaubs in Ungarn war ihnen jetzt jedenfalls nicht mehr zumute. Daher fuhren sie aufdirektem Weg nach Hause und erholten sich erst einmal von der ganzen Aufregung.
Dann riefen sie mich an, um mir für meine Bemühungen zu danken und mir zu erzählen, wie die Geschichte ausgegangen war. Und sie sagten Folgendes: »Wir können nicht vergessen, was wir in der Tötungsstation gesehen haben. Und wir können nicht so tun, als ginge uns das Leid der armen Tiere dort nichts an. Wir sind so froh darüber, unseren Seppl wiederzuhaben. Aber für viele seiner Artgenossen dort gibt es so gut wie keine Hoffnung mehr. Die privaten Tierhilfeorganisationen vor Ort tun, was sie können, und vermitteln so viele Hunde wie möglich. Dank ihres Einsatzes und natürlich auch Dank Ihrer schnellen Hilfe ist unser Dackel noch am Leben. Dennoch gibt es so viele
Weitere Kostenlose Bücher