Liebling verzweifelt gesucht
nach Möglichkeit etwas Futter für ihn auslegenund sofort die Vermisstenstelle oder Frau L. selbst anrufen.
Die Resonanz auf die Zeitungsartikel war sehr gut und wir erhielten zahlreiche Anrufe aufmerksamer Leser. Allerdings gab es viele unterschiedliche Informationen dazu, wo der kleine Terrier-Spitz-Mischling gesichtet worden war, zunächst in nördlichen Stadtbezirken – in Schwabing sowie im Olympiapark – und später im circa 15 Kilometer entfernten Neubiberg und dem benachbarten Ottobrunn, südöstlich von München.
Jedes Mal, wenn wir eine neue Meldung bekamen, fuhr Frau L. sofort an den Ort, an dem Jagua gesehen worden war. Sie hatte sich zwei Schilder gebastelt, die sie vorne und hinten am Körper trug. Darauf stand: »Ich suche meinen Hund.« Wir telefonierten regelmäßig und sie erzählte mir, dass sie mit ihren Plakaten schon überall als die »Sandwich-Frau« bekannt war, vorne eine Plakat, hinten ein Plakat, und in der Mitte sie. Die Zeitungen machten Fotos von ihr. Und sie wartete darauf, endlich irgendjemandem zu begegnen, der ihr sagen konnte, wo der Hund sich befand. Bei jedem neuen telefonischen Hinweis hoffte und bangte sie erneut. Doch wie schnell Frau L. auch an den Orten auftauchte, wo der Hund angeblich gesehen worden war, wenn sie ankam, war er immer schon wieder verschwunden. Es war jedes Mal eine herbe Enttäuschung. Sie ließ sich aber nicht beirren, hängte überall Suchplakate auf – nach einer Woche waren es bereits um die 500 Stück – und machte einfach weiter.
Nach circa einer Woche bekamen wir eine ungewöhnliche Meldung. Ein Passant hatte eine Frau mitHochsteckfrisur, weißer Hose und grünem T-Shirt beobachtet, die Jagua in ihr Auto gepackt und mit ihm weggefahren war. Es war alles sehr schnell gegangen und der Passant war sich erst im Nachhinein darüber klar geworden, dass es sich bei dem Hund wahrscheinlich um Jagua handelte. Das Ganze hatte sich, so hieß es, an einem Dönerstand zugetragen, an dem der Hund zuvor etwas Fleisch bekommen hatte.
Bei den Hinweisen, die ich von Tierfreunden bei solchen Anlässen erhalte, weiß ich nie genau, wie zuverlässig sie sind. Viele Menschen möchten uns helfen, aber es kann natürlich auch sein, dass jemand ein anderes Tier für das gesuchte hält. Wenn es aufgrund einer Ähnlichkeit zu einer Verwechslung kommt, dann gerate ichauf eine falsche Fährte. Doch das muss man in Kauf nehmen. Ich muss jedem Hinweis nachgehen und versuchen, aus dem Puzzle verschiedener Informationen Schlüsse zu ziehen, die mich weiterbringen.
Jagua
Falls Jagua tatsächlich von der besagten Frau im Auto mitgenommen worden war, muss es ihm gelungen sein, ihr wieder zu entwischen, denn etwa drei Wochen, nachdem er aus dem Geschäft in der Maxvorstadt verschwunden war, rief der Platzwart eines Fußballstadions im circa 15 Kilometer entfernten Aschheim, nordöstlich von München, bei Frau L. an.
»Ich glaube, Ihr Hund ist hier bei uns im Stadion. Er befindet sich unter der Tribüne«, sagte er. »Ich habe versucht, ihn mit Würstchen anzulocken, aber er ist sehr scheu und kommt nicht heraus. Ich habe ihm eine Decke und ein paar Würstchen unter die Tribüne gelegt. Aber es wäre sicher gut, wenn Sie schnell herkommen könnten.«
Das Herz von Frau L. machte einen Satz, als sie diese gute Nachricht hörte. Sie gab mir schnell telefonisch Bescheid und machte sich sofort auf den Weg. Unterdessen bat ich eine Tierschützerin aus unserem Netzwerk ehrenamtlicher Helfer, die in der Nähe des Stadions wohnt, dorthin zu fahren. Wir wissen ja nie, wie lange ein Tier an Ort und Stelle bleibt, und ich wollte alles dazutun, dass wir Jagua nun nicht mehr aus den Augen verloren.
Die Tierschützerin war sehr schnell im Stadion. Sie hatte viel Erfahrung im Umgang mit scheuen Hunden und wendete eine kleine List an, um Jagua anzulocken. Sie legte sich vor der Tribüne auf den Rasen und bewegte sich nicht. Wenn man sich tot stellt, kommen die meisten Tiere herbei, weil sie nachsehen wollen, was los ist. Auch Jagua streckte vorsichtig seinen Kopf unter der Tribüne hervor. Da die Frau nach wie vor regungslos dalag, wagte er sich allmählich Schritt für Schritt näher an sie heran, bis er schließlich bei ihr war und sie beschnuppern konnte.
Jetzt musste alles sehr rasch gehen. Blitzschnell fasste die Tierschützerin Jagua an seinem Brustgeschirr, das er immer noch trug, und hielt ihn gut fest. Der kleine Kerl wehrte sich nicht. Wahrscheinlich spürte er, dass sie nur sein
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