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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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ich Hope hastig auf Annas Anblick vor: auf ihre Narben im Gesicht, das kurz geschorene Haar.
    »Ist doch egal, wie sie aussieht«, erwiderte sie. »Sie ist meine Mami.«
    Als wir den letzten Korridor zum Eckzimmer entlanggingen, begegneten wir etlichen Schwestern, die so taten als würden sie den glatt rasierten und gekämmten Mann erst auf den zweiten Blick erkennen. Ich lächelte nur und ging weiter.
    Ich drückte Hope aufmunternd die Hand, bevor ich die Tür öffnete. »Was auch kommt«, sagte ich ihr. »Wir stehen das durch.«
    Kaum hatte ich die Klinke heruntergedrückt, lief Hope zum Bett. Ich blieb etwas zurück und sah zu, wie sie den Anblick der Mutter verarbeitete. Zum Glück waren die hässlichsten äußeren Unfallspuren inzwischen verheilt. Das linke Auge war nicht mehr geschwollen, die Blutergüsse verschwunden und der Kopfverband abgenommen. Von der tiefen Schnittwunde über einer Wange war nur eine rosarote Narbe übrig geblieben, deren Fäden bereits gezogen waren.
    »Mami«, sagte Hope leise und vorsichtig. »Ich bin’s. Hope.«
    Als keine Antwort kam, wurde sie lauter und immer lauter. Schließlich, als alles nichts half, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, gab Anna einen Kuss und wartete, dass der Dornröschenzauber wirkte. Als nichts geschah, drehte sie sich niedergeschlagen zu mir um.
    »War nur ein Versuch«, murmelte sie.
    Während der folgenden Stunde hielt ich Hope dazu an, sich zu ihrer Mutter zu setzen und mit ihr zu sprechen. Sie erzählte ihr, wie sie über den Unfall dachte, wie sehr sie sie vermisse, wie es in Fresno gewesen war … was immer ihr in den Sinn kam. Hope vergoss dabei ein paar Tränen, doch die waren schnell versiegt, als sie von ihren Cousins erzählte, und was sie alles miteinander erlebt hatten und wie »cool« es doch sei, dass Onkel Stuart so viel Geld habe, denn sie könnten sich alles kaufen, was sie wollten. Dann besann sie sich und fügte hinzu: »Aber Familie ist besser als Geld.« Sie endete mit ihrem Abenteuer und wie es ihr gelungen war, auszureißen und zum Bahnhof zu gelangen.
    »Was im Übrigen«, warf ich an dieser Stelle ein, »nie wieder vorkommen wird. In Ordnung, junge Dame?«
    Ihr verschmitztes Lächeln versöhnte mich mit allem.
    Wir blieben noch den Rest des Tages in der Klinik. Es tat Hope gut, in der Nähe ihrer Mutter zu sein. Als ich vorschlug, zum Mittagessen zu gehen … und später zum Abendessen, musste ich ihr versprechen, dass wir danach zu Anna zurückkehren würden.
    Dickköpfiges kleines … genau wie Anna .
    Nach dem Abendessen stattete Dr. Rasmussen Anna noch einen späten Besuch ab. Außerdem kam Reg, um mit mir zu sprechen. Beide kannten Hope aus der Nacht nach dem Unfall. Sie erkannte keinen von beiden wieder, begrüßte sie jedoch höflich.
    »Heute sehen Sie schon annehmbarer aus«, bemerkte Reg, während Dr. Rasmussen Anna untersuchte.
    »Und aus gutem Grund.«
    »So? Und der wäre?«
    »Gestern Nacht wurde ich an etwas erinnert, das Dr. Rasmussen mir kurz nach dem Unfall gesagt hatte.«
    Der Arzt hatte uns schweigend zugehört und drehte sich um, als sein Name fiel. »Ich? Was soll ich gesagt haben? Helfen Sie mir auf die Sprünge«, bat er mit verwirrter Miene.
    »Sie sagten, es gäbe Hoffnung. Gestern Nacht war Hope, meine Hoffnung, plötzlich nicht mehr da. Buchstäblich verschwunden – verloren gegangen. Aber jetzt, da sie wieder gefunden wurde, sehe ich die Dinge klarer.«
    Dr. Rasmussen betrachtete meine Tochter, die am Tisch saß und am Lederriemen des alten Holzkastens meines Großvaters spielte. »Ich verstehe.«
    Mein Aktenkoffer lag auf Annas Kommode. »Reg, bevor Sie beide gehen, möchte ich Ihnen etwas geben.« Meine Hände zitterten. Ich griff nach dem Aktenkoffer, klappte ihn auf, zog einen braunen, großen Umschlag heraus und reichte Reg Annas Patientenverfügung.
    Reg las das Dokument aufmerksam durch, während Dr. Rasmussen ihm über die Schulter blickte. Schließlich reichte er die Urkunde mit einem Seufzer an den Arzt weiter, der sie in Ruhe zu Ende las. »Kann Ihnen kaum leichtfallen, mir das auszuhändigen«, bemerkte er schließlich.
    »Noch nie im Leben ist mir etwas so verdammt schwergefallen«, verbesserte ich ihn.
    »Ich glaube, sie ist froh, dass Sie es getan haben.«
    Ich versuchte ein Lächeln. »Hätte ich es nicht getan, müsste ich mich auf einiges gefasst machen – wenn ich ihr im Himmel wieder begegne.«
    Dr. Rasmussen gab das Dokument an Reg zurück. »Im Kleingedruckten steht ›ein

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