Lieblingslied: Roman (German Edition)
hat: Für den Besuch bei ihrer Mutter !«
Zwanzig Minuten später, kurz nach Mitternacht, während ich auf der Interstate fünfhundertachtzig durch Oakland raste, klingelte mein Handy zum dritten Mal.
»Stuart?«
»Wir haben sie!«, brüllte er mir ins Ohr. »Und sie ist okay. Du hast recht gehabt. Sie ist schnurstracks zur Bahnlinie und von dort zum Bahnhof marschiert.«
Am frühen Abend hatte ich Annas Schicksal beweint, hatte bittere Tränen der Wut und Verzweiflung vergossen. In diesem Moment hinter dem Steuer meines Wagens mit durchgedrücktem Gaspedal vergoss ich seit wer weiß wie langer Zeit die ersten Freudentränen. »Danke, Stuart!«, seufzte ich. »Gott sei Dank!«
»Du hast gewusst, wo wir suchen mussten. Aber letztendlich hätten wir sie sowieso gefunden. Die Angestellte der Nachtschicht bei Amtrak hat kurz nach unserem Telefongespräch bei der Polizei angerufen. Sie hat gemeldet, dass eine kleine Ausreißerin bei ihr aufgetaucht sei und sie ein Auge auf sie haben werde, bis der Streifenwagen kommt.«
»Ich bin einfach nur froh, dass ihr nichts passiert ist. Bringst du sie jetzt nach Hause?«
»Also …«, nuschelte er zögernd. »Nicht jetzt. Sie … hm … sie will nicht.«
»Was soll das heißen? Sie hat keine andere Wahl!«
»Hope sagt, dass sie ein Ticket nach San Francisco hat und auf den Zug wartet.«
»Dickköpfige kleine …«
»Genau wie Anna«, bemerkte der Bruder.
Überraschenderweise empfand ich die Bemerkung über meine im Koma liegende Frau, seine jüngere Schwester, nicht als verletzend. »Jaaa«, seufzte ich gottergeben. »Genau wie Anna.«
»Also, was soll ich tun?«
»Macht es dir was aus, noch eine Weile auf dem Bahnhof zu warten? Ich kann in zwei Stunden bei euch sein.«
»Lass dir Zeit. Der Zug nach San Francisco geht erst um fünf Uhr morgens.«
»Kann ich mit ihr sprechen?«
Er lachte unterdrückt. »Tut mir leid … Die Antwort lautet ausdrücklich Nein . Sie will nicht mit dir reden.«
»Warum nicht?«
»Weil du ihr angeblich nur sagst, dass sie nicht zu ihrer Mutter darf. Und das will sie nicht hören. Aber, Mann, was erwartest du von einem frühreifen kleinen Mädchen, das das Fliegengitter vor ihrem Fenster ausgebaut hat, aus dem Fenster gesprungen und nachts allein zum Bahnhof gewandert ist? Hope macht einen sehr entschlossenen Eindruck.«
»Verstehe. Dann sag ihr wenigstens, dass ich komme und sie lieb habe. Und gib ihr einen Kuss von mir. Ich beeile mich!«
Zwei Stunden später, um Viertel nach zwei Uhr morgens, betrat ich das kleine Bahnhofsgebäude von Madera. Heather und Stuart saßen auf einer schmalen Holzbank. Hope lag ausgestreckt in ihrer Mitte und schlief tief und fest.
»Hope«, sagte ich und rüttelte sie sanft an der Schulter. »Hope, Dad ist da.«
Sie schlug kaum die Augen auf. »Ich fahre mit dem Zug«, murmelte sie schlaftrunken.
»Wie wär’s, wenn wir zusammen mit meinem Auto fahren?«
Sie hob den Kopf, rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Nein. Ich will zu meiner Mami.«
Auf der Fahrt von San Francisco nach Madera und dem Bahnhof hatte ich ausgiebig Zeit zum Nachdenken gehabt. Der Gedanke, dass ich Hope beinahe verloren hätte, war schockierend. Schließlich war sie alles, was mir noch blieb. Trotzdem hatte ich mir in stumpfem Egoismus im Krankenhaus eingeredet, sie wäre ohne mich besser aufgehoben.
Genau das sollte sich ändern.
»Ich weiß«, sagte ich zu Hope. »Es ist Zeit, dass du deine Mutter besuchst. Ich bringe dich zu ihr.«
Hope lächelte … das strahlende, zauberhafte Lächeln ihrer Mutter. »Versprochen?«, fragte sie.
»Versprochen.«
Bevor ich noch ein weiteres Wort sagen konnte, legte Hope ihren Kopf in Heathers Schoß und war wieder eingeschlafen. Ich dankte Heather und Stuart für alles, was sie für uns getan hatten.
Das heißt, für alles, nur nicht für das exorbitante Taschengeld.
Hope schlief auf der ganzen Fahrt nach Hause. Der Morgen dämmerte bereits, als ich in unsere Einfahrt einbog und den Wagen in der Garage abstellte. Ich trug Hope vorsichtig vom Wagen in ihr Bett, taumelte todmüde ins Wohnzimmer und warf mich auf die Couch.
Mein Bett im Schlafzimmer sah zwar einladend aus, aber ich war noch nicht bereit, allein darin zu nächtigen.
Einige Stunden später weckte mich Hope, indem sie so lange an meiner Schulter rüttelte, bis ich stöhnte. »Dad, du siehst aus wie ein Gorilla.«
Ich öffnete ein Auge. »Ich dachte, du magst Gorillas.«
»Mag ich auch. Im Zoo ! Aber du willst doch
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