Lieblingslied: Roman (German Edition)
und schaltete das Telefon ab. Dann legte ich den ersten Gang ein, trat leicht auf das Gaspedal, fuhr vom Friedhofsparkplatz und zwang mich, keinen Blick zurück auf die kleine Trauergemeinde zu werfen.
Hope und ich unterhielten uns eine Weile über die Beerdigung und wie sie sich fühlte. Sie war natürlich traurig, hatte jedoch alles gut verkraftet.
Nach einer Weile schlug ich ihr vor, ein wenig zu schlafen. Wir hatten eine lange Fahrt vor uns, und sie sah müde aus. Wenige Minuten später war sie, den Kopf ans Fenster gelehnt, eingeschlafen, und ich war mit meinen Gedanken allein.
Sie kreisten hauptsächlich um Anna und das, was wir durchgestanden hatten. Dabei fiel mir etwas ein, das Großvater mir vor Kurzem gesagt hatte. Ich hatte ihm seinen Holzkasten mit den Tagebüchern zurückgegeben, damit er seine Erlebnisse der übrigen Familie erzählen konnte. Und dabei hatte ich ihm eröffnet, dass ich vorhatte, die Geschichte von Anna und mir ebenfalls in einer Art nachträglichem Tagebuch festzuhalten. Es gab Einzelheiten, die ich nicht vergessen wollte, und Dinge, die Hope erfahren sollte, wenn sie älter war. Daraufhin gab er mir den Rat: »Die eigene Geschichte aufzuschreiben, ist wie ein Lied zu komponieren – nur mit mehr Worten und weniger Rhythmus. Fang mit der ersten Strophe an und füge einfach Note für Note hinzu.«
Das ist kein Problem , dachte ich. Der Himmel weiß, wie viele »Zeichen wahrer Liebe« ich besitze, um die Notenlinien zu füllen …
Früh am folgenden Morgen bogen wir in unsere Auffahrt ein. Wir waren fast die ganze Nacht unterwegs gewesen. Ich hatte lediglich zwei Stunden auf einem Rastplatz an der Interstate fünf geschlafen. Hope konnte es kaum erwarten, wieder zu Hause zu sein. Sie packte die Blumen, die wir vom Blumenschmuck bei der Beerdigung mitgenommen hatten, und rannte ins Haus.
Ich ließ unser Reisegepäck im Kofferraum zurück und folgte ihr. Als ich sie einholte, stand sie bereits in unserem Schlafzimmer.
»Die sind für dich«, hörte ich Hope sagen.
»Oh, wie schön! Danke.«
Anna war gerade aufgewacht. Das Dialysegerät an ihrem Bett arbeitete noch. Mein Herz tat einen Sprung, als ich sie sah – wie ich sie schon endlose Male erlebt hatte, seit sie drei Monate zuvor aus dem Koma erwacht war. Sie benötigte eine Menge physiotherapeutische Behandlungen, und wir entdeckten hie und da Lücken in ihrem Gedächtnis. Die Narben in ihrem Gesicht kümmerten sie nicht. Aber das alles war nicht wichtig – wir waren zusammen, und wir waren glücklich.
»Sind die Blumen von Großvaters Beerdigung?«, wollte sie wissen.
»Ja«, antwortete Hope. »Ich habe Dad gleich gesagt, dass sie dir gefallen. Und er meinte, wir können dir einen Strauß davon mit nach Hause bringen. Riech mal! Sie sind noch ganz frisch.«
Anna atmete den Duft der Blumen tief ein und sah zu mir auf. »Wie geht es dir?«
»Gut«, erwiderte ich. »Es war traurig, ihn gehen zu sehen. Aber es war seine Zeit.«
»Schade, dass ich nicht dabei sein konnte. Ich habe euch beide vermisst. Die Schwester war jeden Tag hier, und Stuart und die Kinder haben mich einmal besucht, aber ohne euch ist es nicht dasselbe.«
»Wir haben dich auch vermisst, Mami.« Sie hielt inne. Dann leuchteten ihre Augen auf. »Rate mal, was Dad mir in Oregon gekauft hat?«
»Hmm … ein T-Shirt mit dem Oregonlabel?«
»Nein! Eine Gitarre! Und er bringt mir das Gitarrespielen bei!«
Ein strahlendes Lächeln glitt über Annas Züge – das Lächeln, das für mich der Himmel auf Erden war. »Wie toll! Jetzt habe ich zwei, die für mich spielen.« Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und zwinkerte mir zu. »Wo wir gerade davon sprechen. Ich habe deine Konzerte die letzten Nächte vermisst. Wie wär’s mit einem kleinen Ständchen am Bett?«
»Das kann ich kaum abschlagen«, erwiderte ich lächelnd.
Karl lehnte an der Wand auf der anderen Seite des Zimmers. Ich öffnete den Gitarrenkasten und fand, was ich erwartet hatte: einen rosaroten Umschlag zwischen den Saiten mit einigen handgeschriebenen Musiknoten auf der Vorderseite. Ich legte ihn auf mein Kopfkissen, um den Inhalt später in aller Ruhe genießen zu können.
Dann gab ich Anna einen zärtlichen Kuss auf die Stirn und spielte ihren Song.
Have you ever sat and cried yourself to sleep?
Have you ever dreamed of things you’d never want to see?
And have you ever questioned what you don’t unterstand?
Well I have.
Did you ever hear that heaven’s love is very far?
Did you
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