Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
Vom Netzwerk:
nicht, ob ich über das Fehlen eines letzten Zeichens von Anna erleichtert oder enttäuscht sein sollte, darüber, dass sie mir im entscheidenden Moment etwas schuldig geblieben war. Ich ließ meine Hand über die glatte Holzoberfläche gleiten. Dann stellte ich den Kasten auf den Boden und nahm das Instrument heraus. Als ich die Gitarre hochnahm, drang aus dem Inneren des Korpus ein dumpfes Geräusch.
    Als ich die Gitarre umdrehte und etwas schüttelte, das Schallloch auf den Fußboden gerichtet, fielen mir zwei rosarote Umschläge in den Schoß.
    Ich erstarrte erneut.
    Nie zuvor hatte ich zwei Briefe erhalten. »Was hast du getan, Anna?«, flüsterte ich. »Eine Nachricht … so lautete unsere Abmachung.«
    Ich weiß nicht mehr, wie lange ich bewegungslos auf die kleinen Briefumschläge gestarrt hatte. Schließlich legte ich die Gitarre beiseite und hielt die Kuverts gegen das Licht. Auf jedem stand eingerahmt von zwei Musiknoten »Zeichen wahrer Liebe« in Annas kunstvoller Handschrift.
    Vorsichtig erbrach ich das Siegel an dem leichteren Umschlag und öffnete ihn. Die kurze, bittersüße Nachricht war viereinhalb Monate alt.
    Ethan,
    gelegentlich habe ich den Eindruck, dass die Briefe, die ich Dir schreibe, meine einzige Chance sind, Dir meine Liebe zu erklären. Das ist sehr traurig. Ich vermisse Dich. Ich wünschte, Du müsstest morgen nicht auf Reisen gehen. Die Gespräche mit Dir fehlen mir. Und Hope vermisst Dich ebenfalls. Wir beide brauchen Dich. Danke, dass Du heute Abend die Gitarre für mich gespielt hast, aber ich möchte das öfter hören – denn wenn Du zu Hause bist, um zu spielen, dann bist Du wirklich zu Hause angekommen!
    Bitte, komme bald nach Hause.
    In Liebe Anna.
    Ich warf einen Blick auf Annas Bett und flüsterte: »Ich bin zu Hause.«
    Als ich das zweite Briefchen öffnete, überkam mich eine seltsame melancholische Unruhe. Ich vermochte das Gefühl nicht abzuschütteln, dass etwas nicht stimmte. Warum gab es zwei Nachrichten? Wann hatte sie die zweite geschrieben? Hatte sie die erste versiegelt und dann entdeckt, dass sie noch mehr über meine ständige Abwesenheit zu sagen hatte? Wollte sie auf mich einprügeln, weil ich meine familiären Verpflichtungen immer wieder einfach beiseiteschob?
    Vorsichtig zog ich das mehrfach gefaltete, große Blatt aus dem Umschlag. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich das Datum in der rechten oberen Ecke las. Ich kannte das Datum nur zu gut. Schließlich bezeichnete es den schlimmsten Tag meines Lebens, der der Annas letzter hätte sein können und genau dreißig Tage zurück lag. Der Tag des Unfalls.
    Guten Abend Mr. Bright,
    ich kann nur annehmen, dass es Abend – vermutlich sogar sehr spät in der Nacht ist, wenn Du dies liest, denn es ist die einzige Zeit, in der ich Dich seit Monaten zu Gesicht bekomme. Heute war ein schlechter Tag. Ich schätze, in diesem Punkt sind wir uns einig. Ich glaube, nie zuvor war ich so wütend auf Dich oder enttäuscht von Dir. Wie Du vielleicht gemerkt hast, schreibe ich diese Nachricht nicht als Antwort auf Dein Gitarrenspiel. Das ist neu, und ich erkläre gleich weshalb. Heute war ich so wütend auf Dich, dass ich das Handtuch werfen, aufgeben wollte. Ich war drauf und dran zu gehen, Hope zu nehmen und Dich zu verlassen. Ich dachte, es könnte Dir eine Lehre sein, Dich vielleicht veranlassen, zu entscheiden, was Du wirklich willst.
    Ich konnte es nicht tun. Weißt Du weshalb?
    Weil ich Dich liebe!
    Und deshalb schreibe ich den Brief. Schreibe mir alles von der Seele, weil ich es nicht mehr aushalte, nicht warten kann, bis wir uns heute Abend sehen.
    Und dabei habe ich Gefallen daran gefunden, Dir zur Abwechslung »außer der Reihe« zu schreiben. Es könnte der Anfang von etwas Neuem werden, wenn ich nach Lust und Laune schreiben kann. Warum sollte ich warten, bis Du Gitarre für mich spielst? Vielleicht war unser kleines Tauschgeschäft nicht allzu gut durchdacht. Aber darüber können wir später reden.
    Jetzt ist es raus: Ich liebe Dich. Und gleichgültig, wie wenig ich von Dir habe oder wie oft ich die Scherben unserer Beziehung wieder zusammensetzen muss. Ich habe es immerhin vor dem Traualtar geschworen. In guten wie in schlechten Zeiten. Was nicht bedeutet, dass Du Dich aus der Verantwortung stehlen kannst. Ethan, womit kann ich Dich überzeugen? Diese Familie braucht Dich und nicht Dein aufgeblasenes Gehalt. Ich weiß, Du arbeitest für mich und Hope so hart. Nur, ging es uns denn schlecht, als du die

Weitere Kostenlose Bücher