Lieblingslied: Roman (German Edition)
Himmel aus auf sie aufzupassen. Was meinst du? Haben wir eine Abmachung?«
Ich schlug die Augen auf, so als könne ich erkennen, ob mein Vorschlag tatsächlich angenommen wurde. Mein Blick konzentrierte sich auf Annas Augen. Ich bewegte mich nicht, hoffte – betete –, dass sie sie wie durch ein Wunder aufschlagen würde. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihre Finger, suchte nach einem Anzeichen von Bewegung, nach einem minimalen Zucken. Das würde mir schon genügen. Jeder auch noch so geringfügige Hinweis, dass Gott in den Handel einschlug. Nachdem fünf Minuten lang nichts passierte, neigte ich den Kopf.
»Auch gut«, murmelte ich. »Dann bleibe ich, wenn du das willst. Ich habe noch Hope, und die braucht jemanden. Damit ist die Sache beschlossen. Danke und gute Nacht.«
Hatte ich Gott gerade eine gute Nacht gewünscht?
»Ich meine, Amen.«
29
ICH KONNTE NICHT SCHLAFEN.
Drei schlichte Worte trieben mich um.
Ich verzeihe Dir.
Anna hatte mir das in ihrem Brief geschrieben. Allerdings konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass meine Verhaltensweise sie letztendlich umbringen würde. Wäre sie auch jetzt noch bereit, mir zu vergeben?
Und dann war da die Sache mit Ashley Moore. Die lag mir ebenfalls schwer im Magen. Hatte Großvater recht? Musste ich ihr wirklich unbedingt vergeben? Wessen Seelenheil sollte das nutzen? Ihrem oder meinem? Oder beiden?
Hatte sie das verdient? War ihre Reue groß genug? Oder war sie da draußen noch immer am Steuer mit dem Handy textend unterwegs und brachte unschuldige Menschen in Gefahr?
Würde Anna wollen, dass ich ihr verzeihe?
Das Fragenkarussell drehte sich die ganze Nacht im Kreis. Jedes Mal, wenn ich glaubte, eine Antwort gefunden zu haben, zog diese eine Unmenge zusätzlicher Fragen nach sich.
Als das erste Morgenlicht Hope aus dem Schlaf weckte, war ich verwirrter als noch acht Stunden zuvor.
»Dad?«, fragte Hope. »Was machst du auf dem Fußboden?«
»Ich konnte nicht schlafen«, murmelte ich und starrte zur Decke. »Ich habe diesen Liegesessel satt.«
»Wie lange liegst du denn schon da?«
»Ein paar Stunden.«
»Ist es da unten nicht kalt?«
»Schon.«
»Bist du … Geht es dir gut?«
Ich richtete mich in Sitzposition auf, damit ich sie sehen konnte. Sie war ein so hübsches Kind. Wie ihre Mutter. »Ich habe mich schon mal besser gefühlt«, gestand ich. »Aber das geht vorüber. Was hältst du davon, wenn wir in der Cafeteria frühstücken und anschließend einen Spaziergang machen? Das Wetter ist gut. An der frischen Luft kommen wir wieder in Schwung.«
Hope und ich gingen nacheinander ins Badezimmer. Sobald wir gewaschen und angezogen waren, verabschiedeten wir uns von Anna und nahmen den Aufzug hinunter in die Lobby.
Als wir eine halbe Stunde später durch den Park marschierten, klingelte mein Handy. Ich kannte die Nummer auf dem Display nicht, aber die Vorwahl war vertraut.
fünf-null-drei. Oregon .
»Hallo?«, meldete ich mich.
»Ich habe dich doch hoffentlich nicht geweckt?«
Ich erstarrte. Die Stimme war vertraut. Nur hatte ich sie etliche Jahre nicht mehr gehört. »Dad?«
»Hi, Ethan. Störe ich?«
»Wer ist das?«, flüsterte Hope.
»Dein Großvater«, antwortete ich leise.
»Großvater Burke?«
»Nein, der andere.«
»Urgroßvater Bright?«
»Nein, der andere !«
»Klingt, als käme mein Anruf ungelegen«, fiel mein Vater am anderen Ende ein. »Ich rufe dich …«
»Nein, alles in Ordnung. Ehm … wie geht es dir?«
»Ich bin okay.«
»Arbeitest du noch in dieser Werkstatt?«
»Ist ein Job wie jeder andere. Kann mich nicht beklagen. In dieser Wirtschaftslage …«
Hope ergriff meine Hand und zog mich weiter. »Da drüben steht eine Bank«, flüsterte sie. »Komm, setzen wir uns.«
»Also … was gibt’s?«
Am anderen Ende entstand eine längere Pause. »Morgen ist so viel ich weiß ein wichtiger Tag. Wie hältst du dich?«
Ich lehnte mich auf der Bank zurück. »Hast du mit Großvater gesprochen?«
»Richtig.«
»Kommst du?«
»Wir beide wissen doch, dass ich nur stören würde. Außerdem muss ich arbeiten. Dad wird mich sicher würdig vertreten. Er hat mich auf dem Laufenden gehalten. Hättest mich übrigens ruhig mal anrufen können, als das passiert ist. Ist beschissen, wenn man schlechte Nachrichten aus zweiter Hand erfährt.«
Ich ballte eine Faust. »Ach, ja? Ist noch beschissener, wenn man sie aus erster Hand erlebt. Tut mir leid, dass ich dich nicht angerufen habe. Aber in solchen Situationen
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