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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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werden, aber es dauerte nicht lange, bis meine Finger dem Instrument reine Klänge entlocken konnten. Ich wärmte mich mit einigen guten altmodischen Fingerübungen auf, spielte einige von Annas Lieblingssongs von Shania Twain. Die ganze Zeit verrieten Hopes tiefe, regelmäßige Atemzüge, wie fest sie schlief. Sie schien nichts von dem sehr intimen Konzert zu hören, das in Annas Zimmer stattfand.
    Die Wandleuchte über Annas Bett erhellte mit ihrem warmen Licht ihr Gesicht in dem sonst dämmrigen Zimmer. Während ich spielte, stellte ich mir vor, sie könne jeden Ton hören und mitsummen, wie sie das stets getan hatte. Ihre zauberhaften Gesichtszüge rührten mich auf nie gekannte Weise. Ich spielte wie nie zuvor – sämtliche Songs und Stücke, die sie je geliebt hatte – die, zu deren Rhythmus sie gern getanzt oder unter der Dusche gesungen hatte und die, die sie stets an mich erinnert hatten. Ich beendete das Repertoire mit unserem Stück – das erste, das ich auf den Straßen Wiens für sie gespielt hatte – Pachelbels Kanon in D-Dur .
    Ich ließ die letzten Noten verklingen, ohne den Blick von ihr zu wenden, und dachte, wie glücklich sie sein müsse, dieses Stück wieder zu hören. In diesem Moment hatte ich bereits ihre Melodie im Kopf.
    Ich begann mit den ersten Takten des Kanons in langsamem Tempo.
    Manchmal ist das Komponieren und Texten harte Arbeit. Ein anderes Mal wiederum entwickeln sich Worte und Musik gemeinsam fast automatisch zu einer harmonischen Einheit. Bei seltenen Gelegenheiten jedoch, wenn der Ausdruck der Gefühle übermächtig wird, passiert ein Song einfach – so als hätte es ihn schon längst gegeben. Er musste dann nur noch aus der Taufe gehoben werden.
    Vielleicht ist das der Grund, warum ich als professioneller Songwriter nie den Durchbruch geschafft hatte. Vielleicht auch, weil ich nie gut genug war – zumindest nie so gut, wie ich es hätte sein müssen. Niemand hatte je einen Song von mir gekauft. Niemand hatte je einen Rockhit von mir im Radio gehört oder sich einen meiner Countrysongs von iTunes heruntergeladen. Aber wenn man einen Song für die Liebe seines Lebens schreibt, spielen all diese Dinge keine Rolle. Gut und schlecht gibt es nicht. Es gibt nur die Gitarre in deinen Händen, die Noten in deinem Kopf, die Worte, die du singst und die Liebe, die dich erfüllt.
    Ich begann, wie gesagt, den Kanon langsam und steigerte dann das Tempo. Dabei variierte ich Pachelbels Vorlage und entfernte mich immer weiter vom Original. Es war Annas Song. Er war nur für sie – der Text, die Melodie, die Geschichte. Das alles griff ineinander. Als ich das Vorspiel intonierte, verfremdeten meine Finger das Original nur so weit, dass die Melodie im Fluss blieb. Was noch Minuten zuvor ein klassisches Stück gewesen war, ging nun in eine melancholische Countryballade über, der jedoch dieselbe Akkordfolge zugrunde lag. Ohne auf das zu achten, was meine Hände machten, reihte ich Worte aneinander, die angemessen beschreiben sollten, was ich fühlte. Dann, während die Höhepunkte meines Lebens vor meinem geistigen Auge Revue passierten, nahm der Text allmählich Form an, begannen die Worte und Tränen im Takt der Nashville-Rhythmen zu einer Melodie ineinanderzufließen.
    Die erste Erinnerung, die mir in den Sinn kam, war der erste schwere Schicksalsschlag in meinem Leben: die Nachricht, dass unsere älteste Tochter gestorben war. Anschließend drängte sich der Schicksalsschlag auf, der noch gar nicht lange zurücklag. Ich sah mich, an Annas Krankenlager weinend, jeder Hoffnung beraubt. Ich hatte sie kaum wiedererkannt mit all ihren Blessuren und Bandagen. Ich war so wütend – wütend auf die junge Referendarin, die ihr das angetan hatte, auf mich und sogar auf Gott, weil er das hatte geschehen lassen. Wo blieb die Gerechtigkeit?
    Ich räusperte mich und sang die erste Strophe:
    Have you ever sat and cried yourself to sleep?
    Have you ever dreamed of things
    you’d never want to see?
    And have you ever questioned
    what you don’t understand?
    Well I have …
    Hast du dich je in den Schlaf geweint?
    Hast du je von Dingen geträumt,
    die du nie sehen wolltest?
    Und hast du je infrage gestellt,
    was du nicht verstehen kannst?
    Ich schon …
    Als Nächstes kam mir in den Sinn, was ab dem folgenden Vormittag geschehen würde … Wo würde Anna sein, wenn sie uns schließlich »verlassen« hatte? Bei Gott im Himmel hoffte ich. Aber wo genau? Ist es ein langer Weg dorthin oder ist er kürzer,

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