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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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Antwort ein. Ich nickte nur. Anna zögerte erneut, so als erwarte sie noch ein Wort von mir, aber ich lächelte wiederum nur kommentarlos. Dann war der Augenblick vorüber und die Mädchen im Haus verschwunden.
    Das war’s , dachte ich, als die Tür hinter ihnen zufiel. Die sehe ich nie wieder.
    Zwei Wochen hatte ich Annaliese Burke umgarnt, und was hatte es mir gebracht?
    Nichts. Nada. Nothing at all.
    Kein »Ruf mich an!« oder »Ich schreibe dir!« oder »Hey, es hat Spaß gemacht mit dir, und ich hoffe, wir sehen uns wieder.« Nicht der geringste Anhaltspunkt, dass sie hoffte, unsere Wege würden sich wieder kreuzen. Nicht einmal eine Adresse, unter der ich sie in den Staaten finden konnte, war mir geblieben. Ich wusste nicht einmal, aus welcher Stadt sie kam – nur, dass sie irgendwo auf dem Land in Idaho zu Hause war.
    Mein Herz schlug nur noch in Zeitlupe, während mir wieder einmal Gänsehaut über den Körper lief. Mit einem Mal fühlte ich mich tatsächlich krank.
    Anna war fort – oder zumindest dabei, Wien zu verlassen, und würde nicht zurückkommen. Und ich konnte nichts tun, als mich selbst in den Hintern zu treten, weil ich geglaubt hatte, bei so einem Mädchen auch nur die geringste Chance zu haben.
    Ich stand einen Moment auf dem Gehsteig, leicht über einen Gully gebeugt, für den Fall, dass ich mich übergeben musste. Als die Übelkeit abebbte, warf ich noch einen langen Blick auf das Mietshaus – in der Hoffnung, dass … ich wusste auch nicht, was ich hoffte … vielleicht, dass sie im letzten Moment herausgerannt kommen und in meine Arme sinken würde.
    Das Leben ist keine Seifenoper , sagte ich mir.
    Die Tür blieb geschlossen.
    Annaliese Burke war damit Geschichte.

3
    ICH WAR PLEITE. Das war das Ergebnis der beiden Wochen, die ich den Fremdenführer gespielt hatte. Angesichts des leeren Kühlschranks und massenweise Zeit war es das einzig Vernünftige, Karl zu stimmen und wieder auf die Straße zu gehen.
    Im Juli ist für den Tourismus in Wien Hochsaison. Das Geld lag also auf der Straße, gleichgültig, wo ich spielte. Allerdings war auch die Konkurrenz durch andere Straßenmusikanten, Jongleure, Zauberer, Clowns, Trommler auf Mülleimern, peruanische Pan-Flötenspieler vor den großen Kirchen und öffentlichen Gebäuden in der Innenstadt am größten, sodass ich mir Örtlichkeiten aussuchte, wo ich mein, wenn auch kleineres Publikum für mich allein hatte. Die Oper erwies sich vor dem jeweiligen Vorstellungsbeginn als einträglicher Standort. Der Bahnhof war ebenfalls nicht zu verachten. Mein Lieblingsort jedenfalls war das aus dem dreizehnten Jahrhundert stammende Basiliskenhaus. Dort flossen die Spenden zwar spärlicher – dreihundert bis vierhundert Schilling pro Abend –, aber die Akustik war ausgezeichnet, und die Geschichte des Hauses war die ideale Atmosphäre, um von Anna zu träumen und vor Selbstmitleid zu zerfließen.
    Das Basiliskenhaus hatte seinen Namen von der Basiliskenfigur, die in die Fassade im zweiten Stock eingelassen war. Der Sage nach hat im Brunnen des Hauses ein Basilisk gehaust, der alle Menschen vergiftete oder mit seinem Blick zu Stein werden ließ. Eines Tages beschloss ein in die Bäckerstochter verliebter Bäckerlehrling, seine Liebe zu ihr durch eine mutige Tat zu beweisen. Er stellte den Basilisken im Brunnen. Als das Monster ihn ansah, wandte er den Blick ab und hielt ihm einen Spiegel vor. Entsetzt über das eigene Spiegelbild erstarrte dieser zu Stein.
    Jedes Mal, wenn ich vor dem historischen, alten Gebäude saß und Gitarre spielte, dachte ich an die Sage. Für mich war Anna die Bäckerstochter. Aber wer war ich? Der mutige junge Lehrling? Ich wünschte, es wäre so gewesen. Eher war ich der Balladensänger von gegenüber, der in der Geschichte nie erwähnt wurde, denn er hatte die schöne Maid nur von fern bewundert und nie den Mut aufgebracht, ihr seine Gefühle zu gestehen.
    An einem klaren Juliabend, genau zwei Wochen nach Annas Abreise, ging das Geschäft im Schatten des steingewordenen Basilisken ungewöhnlich gut. Eine große Gruppe irischer Touristen war zu dieser Sehenswürdigkeit geführt worden. Der dazugehörige Tourbus hatte allerdings eine Panne. Während die Iren warteten, dass der Schaden behoben wurde, sammelten sie sich um mich, um meiner One-Man-Show zuzuhören. Ihr Pech war mein Glück, denn über hundert Dollar in österreichischen Schillingen und irischen Pfund landeten in meinem Gitarrenkasten. Erst spät am Abend war der

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