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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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den Zettel zu den Banknoten legen, hielt jedoch plötzlich inne. Sie richtete sich auf, trat dicht vor mich hin und schob den Zettel hinter die Saiten meiner Gitarre, dort, wo meine Hand den Hals des Instruments noch umfasst hielt. Ihre Finger strichen flüchtig über meine Haut und ein wohliger Schauer durchfuhr meinen Arm und den ganzen Körper. »So«, sagte sie zu Magda gewandt. »Jetzt können wir gehen, damit wir unseren Zug erwischen.«
    Ich sah ihnen einen Augenblick nach. »He … wartet!«, rief ich, als mir klar wurde, dass sie mich tatsächlich allein ließen. »Sehe ich dich wieder?«
    Anna deutete mit breitem Lächeln auf das »Trinkgeld«, das sie zwischen den Saiten meiner Gitarre zurückgelassen hatte.
    »Ich hoffe.« Sie winkte mir noch einmal zu, bog um die nächste Straßenecke und war verschwunden.
    Ich faltete das Papier vorsichtig auseinander. Es war eine Papierserviette, die Anna viermal zusammengelegt hatte. Im Inneren stieß ich auf eine kurze, handschriftliche Nachricht.
    Diese Zeilen waren das Zeichen, das alles ändern sollte.
    Ethan,
    ich kann kaum in Worte fassen, wie sehr ich die Zeit mit dir in Wien genossen habe. Für mich warst du das Beste an Europa! Am 23. Juli mache ich zum letzten Mal in Österreich Station. Es ist für dich vielleicht nicht der nächste Weg, aber wenn du mich genauso gern wiedersehen möchtest wie ich dich, treffe mich um 10 Uhr am Geburtsort von Österreichs größtem musikalischen Genie.
    Ich hoffe, wir sehen uns dort.
    Anna
    P.S. Wenn du nicht sicher bist, wen ich meine, dann denke an Falcos erfolgreichsten Hit.
    Ich kannte den überschaubaren Text von Falcos Song gut, und summte ihn fröhlich vor mich hin, während ich die Nachricht wieder zusammenfaltete und sie in meiner Brieftasche verwahrte. Rock me Amadeus !

4
    AM 23. JULI STAND ICH BEREITS um fünf Uhr morgens auf Wiens Südbahnhof. Um fünf Uhr dreißig fuhr bereits ein Zug in Richtung Westen. Das war allerdings ein Bummelzug, der praktisch an jeder Milchkanne hielt und mich erst um neun Uhr fünfundvierzig nach Salzburg gebracht hätte, was mir zu knapp erschien. Um sechs Uhr dagegen gab es einen Schnellzug, der bereits um neun Uhr in Salzburg ankommen sollte. Die Wahl fiel mir nicht schwer. Ich beschloss etwas länger und damit auf den Schnellzug zu warten, um Anna pünktlich um zehn Uhr treffen zu können.
    Ich hatte Karl für den Fall mitgenommen, dass Anna vielleicht wieder ein Stück hören wollte. Um mir die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges zu vertreiben, setzte ich mich auf eine leere Bank neben der Rolltreppe im Südbahnhof und begann mit meinem üblichen Programm. Für Touristen war es zu früh, aber einige Passanten warfen im Vorübergehen ein paar Münzen in meinen Gitarrenkasten. Als ich die Gitarre wieder einpackte, um in den Zug zu steigen, hatte ich genug Geld, um mir zum Frühstück ein frisches Baguette und ein paar Flaschen Almdudler für die Fahrt zu kaufen.
    Der Zug war halb leer. Ich nahm in einem Vierersitz aus zwei gegenüberliegenden Bänken, zusammen mit einem jungen Ehepaar und dessen blond gelockter kleiner Tochter, Platz. Die Gitarre verstaute ich im Gepäckfach und warf nervös einen Blick auf die Uhr.
    »Fünf Uhr fünfundfünfzig«, flüsterte ich leise vor mich hin und wartete ängstlich darauf, dass sich der Zug endlich in Bewegung setzte.
    Eine Minute später sah ich erneut auf die Uhr. Draußen auf dem Bahnsteig wurden Stimmen laut. In der Nähe meines Fensters stand ein untersetzter Schaffner im blauen Jackett und mit schwarz gerandeter Mütze und machte seinem Kollegen aufgeregte Zeichen, der aus einem Waggon am anderen Ende des Zuges stieg. Sein Wiener Dialekt war schwer zu verstehen, aber ich schnappte Worte auf wie »Ich bleibe hier …! Du rufst Hilfe …! Halte den Zug auf …!«
    Den Zug aufhalten ?
    »Wun-der-bar«, stöhnte ich laut auf Deutsch. »Das klingt nicht gut.«
    Das kleine Mädchen gegenüber kicherte.
    Sieben Minuten später – drei Minuten nach der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit – raste ein Krankenwagen mit kreischenden Sirenen den Bahnsteig entlang. Ein Mann und eine Frau in Notarztkleidung sprangen heraus und wurden vom Schaffner zum Ende des Zuges geführt.
    Zwanzig Minuten später stand der Krankenwagen noch immer auf dem Bahnsteig.
    Trotz der morgendlichen Kühle standen Schweißperlen auf meiner Stirn.
    Das kleine Mädchen unterhielt sich damit, meinen amerikanischen Akzent nachzuäffen.
    Es verging eine weitere halbe Stunde, und unser

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