Lieblingslied: Roman (German Edition)
haben, um über die Runden zu kommen. Und wer weiß, vielleicht kann ich nach der Geburt des Babys endlich ein paar Songs verkaufen. Dann wären wir finanziell aus dem Schneider.«
»Nur bis das Baby da ist?«
»Versprochen.«
Ich hatte tatsächlich die Absicht, das Versprechen zu halten. Und ich glaube, das hätte ich auch getan. Leider hatte ich dazu keine Gelegenheit mehr. Vor Ende des fünften Monats hatte Anna eine Fehlgeburt.
Das Baby, für das ich dann hätte da sein wollen, wurde nie geboren.
9
FÜR MICH WAR DIESE FEHLGEBURT ein Unglück, wie es viele erlebt hatten. Für Anna war es eine emotionale Katastrophe. Sicher, die Schwangerschaft war praktisch ein »Versehen« gewesen. Aber das konnte nicht verhindern, dass Anna sich gefühlsmäßig sehr intensiv auf das Kind eingestellt hatte, das in ihr gewachsen war und sich immer deutlicher bemerkbar gemacht hatte. Dadurch hatte sie sich immer intensiver als Mutter definiert. Für sie ein Zustand großen Glücks. Sie hatte bereits eine lange Liste von Namen auf die von ihr favorisierten Kindernamen eingekürzt; sie hatte Pennys für die ersten Windelpakete gesammelt; und sie hatte genug Tiere aquarelliert, um die Arche Noah geschweige denn die Wände eines einzigen, kleinen Kinderzimmers zu füllen. Jetzt hatte sich all das als vergebene Liebesmühe erwiesen. Von einem Tag auf den anderen war ihr Traum von der Mutterschaft geplatzt.
Die Erklärung des Frauenarztes, die er uns zusammen mit einer Rechnung über zweitausendfünfhundert Dollar präsentierte, lautete: »Manchmal passieren diese Dinge eben.«
Ach wirklich? Danke, Doc. Damit wäre das hinlänglich geklärt.
Ohne Krankenversicherung verschlangen die Kosten der Fehlgeburt unsere Ersparnisse bis auf den letzten Cent. Und was hatten wir dafür bekommen? Ein paar verschwommene Ultraschallbilder eines Kindes, das es nie geben, Babykleidung, die nie getragen werden, und Herzschmerz, der nie vergehen würde. Um den Verlust zu verarbeiten, fielen wir zurück in eine Routine, die hohe Dosen an konzentrierten »Ego-Trips« einschloss, in denen wir uns beide wieder auf die bis dahin wolkigen Träume, Songs und Kinderbücher zu schreiben, fokussierten.
Ich war daher aufrichtig froh, als Anna sich wieder auf ihre künstlerischen Arbeiten konzentrierte. Ich sagte kein Wort, als sie das zweite Schlafzimmer in unserer Wohnung – das als Kinderzimmer geplant gewesen war – in Beschlag nahm und nächtelang als Atelier nutzte. Ich nahm einfach an, dass sie versuchte, die durch die Fehlgeburt ausgelöste Depression durch Malen, Zeichnen und Schreiben zu überwinden.
Als ich an unserem ersten Hochzeitstag vom Job nach Hause kam, war ich überrascht. Das Licht war ausgeschaltet, aber Anna hatte überall in der Wohnung Kerzen aufgestellt. Sie erwartete mich am Küchentisch, trug ein zauberhaftes rotes Kleid und, was noch wichtiger war, sie strahlte über das ganze Gesicht. Es war das Lächeln, in das ich mich damals in Österreich verliebt hatte, das Lächeln, das mir den Himmel auf Erden versprach. Seit dem Wohnungsbrand, und vor allem nach der Fehlgeburt, hatte dieses Lächeln sichtbar nicht mehr zu Annas Ausdrucksformen gehört. Sie hatte natürlich auch gelächelt, aber es war nicht mehr dasselbe gewesen wie früher .
Ich beugte mich zu ihr, um sie zu küssen. »Donnerwetter … du siehst schöner aus denn je. Kein Witz. Aber mir hat niemand gesagt, dass heute ein Festessen geplant ist. Soll ich mich umziehen?«
»Blödsinn! Du gefällst mir so, wie du bist. Setz dich einfach.«
»Es riecht fantastisch. Was gibt’s denn?«
Sie lachte leise. »Das Gericht heißt Chicken Fuego.«
»Fuego? Heißt das nicht Feuer?«
»Richtig. Feuer-Hühnchen . Zur Erinnerung an unser brenzliges erstes gemeinsames Jahr. Aber lass dich vom Namen nicht täuschen. Im Gegensatz zu meinem letzten Versuch, Hühnchen zu braten, ist nur die Soße ›feurig‹. Ich jedenfalls habe keine einzige Flamme gesehen.«
»Wir könnten auch zum Supermarkt fahren und abwarten, ob während unserer Abwesenheit hier was zündet.«
»Hm. Haben wir denn schon eine Hausratsversicherung?«
Ich lachte laut auf und betrachtete die Frau bewundernd, die mir gegenübersaß. »Du bist unglaublich, Anna. Weißt du was? Ich liebe dich sehr.«
»Das ist mir nicht neu. Und aus unerfindlichen Gründen hege ich dir gegenüber dieselben Gefühle. Deshalb möchte ich dir was zeigen. Ich wollte bis später damit warten, aber ich bin viel zu ungeduldig.« Sie
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