Lieblingslied: Roman (German Edition)
Aber im Endeffekt erliegt jede auch noch so glückliche Ehe den Realitäten des Alltags.
Unsere offizielle Hochzeitsreise in Florida endete an einem Sonntag. Die Flitterwochen jedoch waren fast vier Monate später … an einem Freitag aus und vorbei.
An diesem Tag nämlich kam über die Sprechanlage in der Schule, an der ich unterrichtete, die Durchsage: »Mr. Bright, ins Sekretariat, bitte!«
Dort erwartete mich die Schulsekretärin bereits ängstlich mit dem Telefonhörer in der ausgestreckten Hand. Ihre Frau signalisierte sie mir stumm und bewegte nur die Lippen.
Noch bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich Anna am anderen Ende weinen.
»Ich bin’s. Was ist los?«
»Ich bin schuld«, jammerte sie. »Ich dachte, ich hätte den Herd abgestellt.«
»Was ist passiert?«
Am anderen Ende war es einen Moment still. Dann hörte ich lautes Schluchzen. »Das Hühnchen ist verbrannt , Ethan … Ich wollte dir was besonders Gutes zum Abendessen kochen!«
»Das ist doch nicht schlimm, Liebling. Beruhige dich. Deshalb geht die Welt nicht unter. Wir essen heute Abend einfach auswärts. Na, was hältst du davon?«
Das Schluchzen wurde lauter. »Ist nicht nur das H-H-Hühnchen!«, stammelte sie unter Tränen. »Alles andere auch. Ich dachte, ich hätte den Ofen ausgeschaltet, bevor ich fort bin. Und als ich zurück…«
Meine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. »Anna, was ist passiert?«
Anna zog die Nase hoch. Sie holte tief Luft, atmete aus und sagte: »Alles ist weg. Fertig. Aus.«
»Wie bitte?«
» Einfach alles . Unsere Möbel, die Kleidung, die Wohnung – alles futsch. Das Feuer hat sich so schnell ausgebreitet. Zu schnell …«
Um mich herum begann sich alles zu drehen. Ich hatte zu lange in einem Ehetraum gelebt, war in diesem Moment zu begriffsstutzig, um den Sinn dessen zu verstehen, was sie mir sagte. Ich versuchte, mich auf die wenigen Schlüsselworte zu konzentrieren.
Hühnchen.
Feuer.
Wohnung.
Verbrannt.
Alles.
»Alles?«, fragte ich
»Ja!«, kam es wie ein Aufschrei.
»Das Bett von deinem Dad?«
»Verbrannt.«
»Deine Geschichten und Illustrationen?«
Anna weinte lauthals, dann brachte sie ein verzweifeltes Verbrannt zustande.
Ich versuchte zu schlucken, doch mein Mund war trocken, und der Kloß in meinem Hals steckte fest. »Was ist mit Großvaters Gitarre? Und mit meinen Songs?«
»Die Gitarre stand neben der Wohnungstür. Die konnte ich noch rausholen. Aber deine Noten lagen auf dem Nachttisch.« Anna brach erneut in Tränen aus. »Es … es tut mir … so … schrecklich leid«, brach es unter Schluchzen aus ihr heraus.
»Aber dir ist nichts passiert? Du bist unverletzt?«
»Ich rieche schrecklich nach Rauch, aber ich bin okay. Kannst du nach Hause kommen?«
Der stellvertretende Schuldirektor sprang für mich ein, sodass ich nach Hause fahren und mir den Schaden ansehen konnte. Die Feuerwehr war noch mit mehreren Fahrzeugen vor Ort, als ich kam, aber das Feuer war gelöscht.
Der Hausmeister war ebenfalls anwesend und sprach gerade mit Anna, als ich dazukam. »Das Gebäude hat eine eigene Brandversicherung«, erklärte er an mich gewandt. »Aber was ist mit Ihnen? Haben Sie eine Versicherung, die Ihren Schaden abdeckt? Ihre Frau ist sich nicht sicher.«
Ich sah Anna an. Jetzt kamen mir die Tränen. »Nein«, flüsterte ich und nahm Anna in die Arme. Ich drückte sie fest an mich. »Ich hatte es vor … aber irgendwie bin ich nie dazu gekommen.«
Anna schluchzte nur noch heftiger. Wir hatten nicht nur unseren Besitz verloren, sondern ohne Versicherung auch keine Möglichkeit, diesen entsprechend zu ersetzen.
Später, als wir die Wohnung wieder betreten konnten, führte uns der Einsatzleiter der Feuerwehr durch die Räumlichkeiten. Was am Morgen noch mein Zuhause gewesen war, war jetzt eine qualmende, von Asche und Ruß geschwärzte Höhle. Der Kühlschrank war geschmolzen. Wände und Decken schwarz verkohlt. Das Bett ein Häufchen Asche. Unsere Schränke abgebrannt. Annas Illustrationen – das Ergebnis vieler Arbeitsstunden – eine schlammige Masse auf dem verkohlten Fußboden. Nichts, nicht der kleinste Fetzen Papier wies daraufhin, dass ich je eine Musiknote komponiert hatte.
Zitternd am ganzen Körper verließen wir schließlich die Wohnung. Das Gefühl von Verlust war deprimierend. All unsere harte Arbeit – unsere Träume – waren buchstäblich in Flammen aufgegangen. Ich machte Anna ebenso wenig Vorwürfe wegen des »verbrannten« Hühnchens wie sie mir, wegen
Weitere Kostenlose Bücher