Lieblingslied: Roman (German Edition)
den Tisch. »Darüber habe ich schon nachgedacht und beschlossen, dass du dir Zeit lassen sollst. Hat keinen Sinn, etwas zu überstürzen! Es soll ja nicht zum Zwang werden. Ich weiß, du liebst mich, und ich weiß, dass deine Gefühle irgendwann in einen Song einfließen werden, der nur für mich ist. Aber bis es so weit ist, wär’s mir lieber, du würdest dich auf … etwas anderes konzentrieren.«
Ich richtete mich auf dem Stuhl auf. Nicht nur die Art, wie sie den letzten Satz gesagt hatte, sondern die Nervosität, die sie plötzlich an den Tag legte, machte mich neugierig. »Auf etwas anderes?«, wiederholte ich.
»Hm, ja.«
»Hast du was Besonderes im Sinn? Oder meinst du, ich soll mich nicht allein auf diesen Song konzentrieren?«
Anna griff über den Tisch und nahm meine Hände mit sanftem Druck. »Ich möchte, dass wir uns beide darauf konzentrieren, wieder ein Baby zu bekommen.«
Ich widerstand dem Impuls, meine Hände zurückzuziehen. »Wow … Ich meine, so schnell nach dem … Bist du sicher?«
Anna nickte energisch. »Ich weiß, es ist verrückt … angesichts unserer finanziellen Lage. Aber das können wir irgendwie regeln. Und wenn es bedeutet, dass ich eine Weile Vollzeit arbeiten muss und weniger Zeit für meine Buchprojekte habe. Das macht mir nichts aus. Und wenn ich etwas länger auf meinen Song warten muss, dann ist das auch okay. Es ist nur … nachdem es einmal schon fast so weit war … Also ich möchte so gern ein Kind haben. Und zwar jetzt.«
Ich streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken, spielte auf Zeit, um mir über meine eigenen Gefühle klar zu werden. Ganz offensichtlich hatte Anna ausführlich über die Angelegenheit nachgedacht. Und ich bezweifelte ganz ernsthaft, dass ich sie überreden konnte, ihre Meinung zu ändern – auch wenn ich gute Gegenargumente hatte. Stand es mir überhaupt zu, sie davon abzubringen, wenn es das war, was sie wirklich wollte? War es nicht auch für mich ein Schock gewesen, dass wir das Baby verloren hatten? Wünschte ich nicht auch, es wäre nicht geschehen? Bevor ich etwas sagte, vergewisserte ich mich, dass meine Argumente vernünftig und fundiert waren, dass ich mich nicht blind auf etwas von dieser Tragweite einließ, ohne die Folgen zu bedenken.
Stand ich wirklich mit ganzem Herzen hinter dem, was ich sagen wollte? War ich bereit, die nötigen Änderungen in meinem Leben vorzunehmen, um eine Familie ernähren zu können? War ich …?
Ich holte tief Luft, drückte Annas Hand, starrte in die Augen meiner besten Freundin und sagte so entschieden und ehrlich, wie ich konnte: »Ich bin zu hundert Prozent dabei.«
Anna hatte keine Ahnung, dass ich überhaupt begonnen hatte, meine Fühler auszustrecken. Anstatt ihr verfrühte Hoffnungen zu machen, beschloss ich zu warten, bis sich etwas Positives ergeben hatte. Dieser Augenblick kam ungefähr sechs Wochen nach unserem ersten Hochzeitstag.
»Ich habe ein Vorstellungsgespräch«, verkündete ich eines Abends.
»Für einen neuen Job?« Sie versuchte, nicht zu euphorisch zu klingen, doch der Glanz in ihren Augen verriet sie. Wir hatten nicht konkret darüber gesprochen, aber wir wussten beide, dass man am besten eine Familie gründete, wenn man eine feste Anstellung inklusive eines umfassenden Versicherungsschutzes hatte. Die Alternative hatten wir bereits erlebt, und ein zweites Desaster verkrafteten unsere Finanzen nicht.
»Ja. Ist an der Zeit, was mit meiner Ausbildung anzufangen, sie in den Ring zu werfen, mich mit den Big Boys der amerikanischen Wirtschaft zu messen.«
»Die Wirtschaft Amerikas hat Interesse an klassischen Gitarristen? Das ist mir neu.«
»Dir kann man wirklich nichts vormachen. Ich habe meine Suche erweitert … auf Bereiche, die meine Möglichkeiten zumindest am Rande tangieren. Dabei bin ich auf eine Werbeagentur gestoßen, die jemanden für ihre Kreativabteilung sucht. Die Anforderungen beinhalten auch eine musikalische Ausbildung.«
Anna kicherte. »Und was macht ein ›Kreativer‹ in der Werbung?«
»In diesem Fall komponiert er Werbemelodien, sogenannte Jingles. Die Texter denken sich merkfähige Slogans aus und die werden dann mit einer zündenden Melodie unterlegt, was zusammen den durchschlagenden Werbespot ergibt.«
»Liegt genau auf deiner Linie.«
»Ich weiß. Ist fast, als würde man einen kurzen, eingängigen Song schreiben. So schwer kann das nicht sein. Ich habe mit dem Personalchef gesprochen, und er hat mich zu einem Vorstellungsgespräch
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