Lieblingslied: Roman (German Edition)
entschieden, dass sie erst dann wieder einen Job annehmen sollte, wenn Hope in die Schule kam. Nachdem es so mühsam und schmerzlich gewesen war, endlich ein Kind zu bekommen, wollten wir unser Baby nicht acht Stunden täglich einer Fremden überlassen. Das bedeutete natürlich, dass ich vorerst allein der Ernährer der Familie bleiben sollte; eine Last, die ich gern schulterte. Allerdings wurde sie nicht leichter, als ich merkte, dass Anna insgeheim auf eine Verbesserung unseres Lebensstils hoffte, die ich mir nicht leisten konnte.
Ich sah keine Chance, mehr Geld zu verdienen. Natürlich hatte ich immer wieder versucht, meine Songs an Agenturen und Musikproduzenten zu verkaufen. Ohne Erfolg. Obwohl ich in der Agentur zur sogenannten Führungskraft aufgestiegen war, war dies mit einem Gehalt dotiert, das für die teuren Lebenshaltungskosten in San Francisco kaum ausreichte. Ich bezahlte die Rechnungen und sorgte dafür, dass wir etwas zu essen hatten. Darüber hinaus war nicht viel möglich.
Nach besagter Autofahrt kam das Problem Finanzen mehrere Monate lang nicht mehr auf den Tisch. Ich versuchte, nicht an die Geldmengen zu denken, über die mein Schwager verfügte, da ich in absehbarer Zeit die Situation sowieso nicht ändern konnte. Und Anna erwähnte das Einfamilienhaus mit Garten liebenswerterweise mit keinem Wort mehr, von dem sie sicher noch immer träumte.
Während dieser Monate begann die Konjunktur im Land einzubrechen. Während die Politiker in Washington und Investmentbanker an der Wall Street eifrig nach einem Sündenbock suchten, ging in der Firma das Gespenst von »Einsparungen« um. Gerüchteweise hieß es, über kurz oder lang seien Einschnitte beim Personal unvermeidbar. Dabei war die Rede von insgesamt dreißig Prozent. Als eine der Führungskräfte ging ich davon aus, umgehend über diesbezügliche Maßnahmen unterrichtet zu werden. Da dies aber nicht geschah und die Gerüchteküche weiter brodelte, begann ich, mir allmählich Sorgen zu machen.
Da ich Anna nicht unnötig beunruhigen wollte, behielt ich das für mich. Als sie mich schließlich fragte, ob die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch Einfluss auf die Firma haben könnten, wiegelte ich ab. »Die Geschäfte sind weniger hektisch, aber wir haben noch immer genug zu tun.«
Ein halbes Jahr, nachdem die ersten Gerüchte aufgekommen waren, verschickte die Firmenleitung eine Kurzmitteilung an sämtliche Filialen landesweit. Darin wurde uns mitgeteilt, dass man im Zuge einer »Restrukturierung bedauerlicherweise« einige leitende Angestellte in unserer New Yorker Filiale habe entlassen müssen. An deren Stelle hatte eine gewisse Jessica Hocker den Posten einer Vizepräsidentin und Leiterin der Vertriebsabteilung übernommen.
Einen Monat später begann die neue Vizepräsidentin mit den ersten Entlassungen. Angesichts der Intensität, mit der sie zum personellen Kahlschlag in unseren Filialen überall im Land ansetzte, wurde sie hinter vorgehaltener Hand nur noch die »Axt« genannt.
Zu Beginn des dritten Monats ihrer uneingeschränkten Herrschaft, erschien die Axt unangemeldet bei uns in San Francisco. Als ich kurz nach sieben Uhr morgens ins Büro kam, war sie, flankiert von zwei Sicherheitsbeamten, bereits da. Sie belegte das Büro des Geschäftsführers und verschanzte sich dort bis neun Uhr dreißig, wo sie ganz offensichtlich, zusammen mit unserer Personalchefin Miriam Scott, die Personalakten durchforstete. Danach überließ sie es Miriam, sämtliche Angestellte zu einem kurzen Meeting in der großen Halle im zweiten Stock einzuberufen.
Es war ein denkwürdiges Meeting.
Die ersten Worte aus Jessicas Mund lauteten: »Guten Morgen. Ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein.« Ihr Ton strafte die freundliche Begrüßung Lügen, denn es war offensichtlich, dass sie nur Verachtung für unsere Filiale und vor allem für deren Personal übrighatte. Ich hätte am liebsten laut gelacht. Die sogenannte Axt war eine kleine, mollige Frau und wesentlich jünger – ungefähr in meinem Alter –, als ich erwartet hatte. Sie war nicht unattraktiv, jedoch unerträglich überheblich und arrogant. Die wenigen Begrüßungsworte jedenfalls genügten, dass auch dem Letzten von uns klar wurde, wie gefährlich sie war. Ihre weiteren Ausführungen sollten das bestätigen: »Und ich bin hier, um einige längst überfällige Veränderungen einzuleiten.«
Von da an ging es Schlag auf Schlag. »Als Folge wirtschaftlicher Notwendigkeiten und den
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