Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
Vom Netzwerk:
mich zum Gitarrenkasten. Es war Monate her, seit ich ihn überhaupt geöffnet hatte. Hinter den Saiten steckte ein rosafarbener Umschlag. Ich schlich aus dem Zimmer in den Gang, wo ich Licht machen konnte, ohne Anna oder Hope zu wecken. Die Nachricht war zwölf Wochen alt, lange vor der Geburt der Zwillinge geschrieben worden und kurz aber herzlich.
    Ethan,
    danke, dass du mir heute Nacht auf der Gitarre vorgespielt hast. Das Herumliegen im Bett ist kein Spaß, aber dir zuzuhören, hat mich alles Unangenehme vergessen lassen – wenn auch nur für wenige Minuten.
    Ich wünschte, du würdest häufiger spielen!
    Dabei fällt mir ein – wie weit bist du mit meinem Song? Keine Sorge, ich weiß, du hast viel zu tun. Und bald, wenn die Zwillinge da sind, wird es nicht leichter für dich: Windeln wechseln, Fläschchen aufwärmen, dafür sorgen, dass die Babys ihr Bäuerchen machen … alles, was Eltern so tun müssen!
    Da du in letzter Zeit so selten Gitarre gespielt hast, nehme ich an, dass dich meine Zeilen nicht so bald erreichen werden. Aber wenn es so weit ist, tust du mir dann einen Gefallen? Spiel mir ein Stück auf der Gitarre! Egal, was ich gerade tue, ich bin sicher, es bringt Licht in meinen Tag.
    Ich liebe dich so sehr, Ethan Bright! Ich weiß, wir hatten unsere Prüfungen, aber gemeinsam können wir alles überwinden.
    XOXOXO
    Anna
    Ich war nicht sicher, ob Anna noch wach war, schlich mich jedoch ins Schlafzimmer zurück und nahm die Gitarre mit ins Bett. Den Rücken gegen das Kopfende gelehnt spielte ich eine leise und getragene Version von Pachelbels Kanon in D-Dur . Während uns das Stück einst als Hochzeitslied gedient hatte war es jetzt eher ein Trauerstück. Als ich geendet hatte, rollten die Tränen über meine Backen. Auch Anna weinte. Ihre Schultern zuckten heftig. Die Fluttore waren geöffnet, wir ließen den Gefühlen endlich freien Lauf, die wir den ganzen Tag über unterdrückt hatten. Jede einzelne Träne, die während der Beerdigung hätte vergossen werden müssen, brach sich jetzt reichlich Bahn.
    Schließlich sah sie zu mir auf und lächelte. »Danke«, flüsterte sie. »Das hat mir heute Nacht gefehlt. Genau das. Es hat gutgetan.«

Dritte Strophe
    ?
    Trio, Accelerando Staccato

12
    ICH MÖCHTE NICHT BEHAUPTEN, dass der Schmerz über den Verlust von Faith nicht tief saß. Dennoch haben wir ihn zu meiner Überraschung verhältnismäßig schnell überwunden. Die Gedanken an das verlorene Kind stimmten noch immer traurig. Allerdings waren wir so intensiv mit dem Baby Hope beschäftigt, dass uns kaum Zeit für Trübsal blieb. Unsere Tränen waren versiegt. Wir hatten unseren Frieden mit dem Schicksal gemacht und konzentrierten all unsere Liebe und Fürsorge auf das Kind, das uns geblieben war.
    Auf Annas Drängen spielte ich pflichtschuldig regelmäßiger auf Großvaters Gitarre, als das in der jüngsten Vergangenheit der Fall gewesen war. Und ich spielte nicht nur für Anna, sondern auch für Hope. Ich hatte vom positiven Einfluss klassischer Musik auf Kinder und ihre Entwicklung gelesen. Also gab ich für Hope häufig mein klassisches Repertoire zum Besten. Zwischendurch jedoch streute ich Rock- oder Countrysongs ein, um für eine umfassendere Bildung des Kindes zu sorgen. Bei Puff the Magic Dragon begannen Hopes Augen jedes Mal zu leuchten. Der Song wurde auf diese Weise zu ihrem Schlaflied. Als sie zweieinhalb war, kannte sie den Text bereits auswendig.
    An ihrem dritten Geburtstag verkündete sie, nachdem sie die Kerzen ausgeblasen hatte, sie sei jetzt »ein großes Mädchen … wie Mami«. Wir baten sie, nicht zu schnell erwachsen zu werden, sagten ihr, dass sie unser kleines Mädchen sei und das auch bliebe, egal, wie groß sie werden würde. Daraufhin sah Hope uns beide streng an und hob drei Finger hoch. »Nein, is bin jetzt groß! So alt … eins, wei, rei!«
    Ja, Hope war rei … und frei, zu tun und zu lassen, was sie sich in ihrem kleinen Köpfchen ausdachte. In dem Jahr zwischen ihrem dritten und vierten Geburtstag mussten wir ständig das anmahnen, was »große Leute« eben nicht tun . Sie rannten zum Beispiel nicht einfach fort und versteckten sich so geschickt unter den Kleiderständern in einem Kaufhaus, dass sie eine halbe Stunde unauffindbar blieben, während die Mutter panisch nach ihnen suchte. Sie spülten auch keine Stofftiere in die Toilette, schoren ihren Pelz mit der Küchenschere bis auf die Stoffunterlage, oder schlichen sich aus dem Haus, um eine streunende Katze zu

Weitere Kostenlose Bücher