Lieblingslied: Roman (German Edition)
Aber es ist Ihre Frau.«
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Die Person im Krankenzimmer sah nicht wie Anna aus. Das Gesicht war geschwollen – besonders auf der linken Seite, wo ein Auge kaum noch als solches zu erkennen war. Ihr Kopf war dick bandagiert, und die Stellen, die der Verband freiließ, sahen aus, als habe man ihr das Haar bis auf die Kopfhaut geschoren. Nase und Lippen waren blau und schwarz verfärbt und deformiert. Unterhalb des Ohrläppchens bis zur Mitte der Wange verlief im Zickzack eine chirurgische Naht. Ein Unterarm war ebenfalls dick bandagiert. Der andere Arm wies direkt unterhalb der Schulter tiefe Schnittwunden auf.
Ich machte ein paar Schritte auf das Bett zu. »Nein. Das glaube ich einfach nicht.« Ich betete insgeheim, dass ich recht hatte und es sich lediglich um eine Verwechslung durch das Krankenhauspersonal handelte. Vielleicht war Anna bereits zu Hause und fragte sich, wo in aller Welt ihre Tochter und ihr Mann die ganze Nacht geblieben waren. »Ich sehe keinen Ehering an ihrem Finger.«
»Den mussten wir aufschneiden, um ihn abzunehmen«, erklärte die Schwester. »Ihre Finger sind zu stark geschwollen. Der Ring steckt in der Plastiktüte auf der Kommode.«
Ich sah hastig zu der Kommode auf meiner Rechten hinüber und erkannte dort im durchsichtigen Plastik mit wachsender Verzweiflung Annas Ehering. Während ich näher trat, hielt ich meinen Blick auf das völlig zugeschwollene Gesicht gerichtet, das auf dem Kissen gebettet lag. Schließlich stand ich so nahe, dass mein Oberschenkel gegen das seitlich hochgeklappte Metallgitter stieß. Während ich auf sie herabsah, konnte ich gerade noch den charakteristisch geschwungenen Mund meiner Frau inmitten all der Schnitte, Kratzer und Schwellungen erkennen. »Oh Gott, Anna!«, flüsterte ich.
Die Schwester schob einen Stuhl an das Bett, sodass ich mich setzen konnte. Dann ließ sie uns allein. Eine halbe Stunde später kehrte sie gefolgt von Reg, dem Sozialarbeiter und zwei mir unbekannten Herren zurück. Der größere von beiden trug OP -Kleidung, der andere einen Anzug.
»Mr. Bright«, begann die Schwester. »Das ist Dr. Knight. Er ist heute der diensthabende Oberarzt auf der Intensivstation. Und das ist Nathan Birch von unserer Rechtsabteilung. Mr. Wilson kennen Sie vermutlich bereits. Es gibt da ein paar Dinge, die die Herren mit Ihnen besprechen möchten.«
»Rechtsabteilung?«, wiederholte ich skeptisch und schüttelte den beiden die Hand.
Reg warf der Schwester einen Blick zu, der besagte, dass er alles Weitere übernehmen würde. »Die übliche Prozedur in einem solchen Fall«, versicherte er mir. »Können wir uns setzen?« Es waren nur drei Stühle verfügbar. Die Schwester und der Herr im Anzug blieben stehen. Der Arzt nahm mir gegenüber Platz. »Wie geht es Ihnen?«, fragte Reg mit mitfühlendem Lächeln.
»Geht so … den Umständen entsprechend.«
Sein Blick signalisierte Verständnis. »Haben Sie gestern Nacht wenigstens etwas geschlafen?«
»Keine Sekunde.«
Er sah sich im Zimmer um. »Ist ziemlich eng hier. Aber für einen Liegesessel ist noch Platz. Ich lasse einen bringen, damit sie sich hinlegen können.«
»Danke.« Ich tauschte kurz einen Blick mit den anderen Anwesenden. »Aber ich schätze, das war nicht der Grund, weshalb Sie alle hier sind.«
»Nein«, bekräftigte Reg. »Ethan, ich habe mir gestern Abend nicht die Zeit genommen, Ihnen meine Aufgabe im Krankenhaus hinreichend zu erklären. Wenn Familien einen besonders schweren Schicksalsschlag zu verkraften haben, dann werde ich als Betreuer abgestellt … um zu helfen, eine schwierige Zeit durchzustehen. Emotional, physisch und psychisch. Sie sollen wissen, dass ich immer für Sie da sein werde. Und wenn Sie es möchten, kann ich auch als Ihr Rechtsberater fungieren, Sie durch die Komplikationen begleiten, die bei Patienten wie Ihrer Frau in medizinischer und rechtlicher Hinsicht auftreten.«
»Danke. Ich weiß das zu schätzen.«
Seine freundliche, mitfühlende Miene nahm einen ernsten Ausdruck an. Offenbar wollte er ein Thema ansprechen, das auch die Anwesenheit des Juristen erforderlich machte. »Leider«, begann er gedehnt, »habe ich auch die Aufgabe, Einzelpersonen und Familien auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass die geliebte Person nicht wieder gesund wird – so sehr wir das auch wünschen. Jedenfalls bin ich hier, um zu helfen und Sie mit Informationen zu versorgen. Der langen Rede kurzer Sinn, Ethan: Der Zustand Ihrer Frau ist
Weitere Kostenlose Bücher