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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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gesagt«, erwiderte er. »Ich bin Neurochirurg. Ich werde nur gerufen, wenn … Nun, Ihre Frau hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma durch den Aufprall erlitten. Wir haben bereits eine Kraniektomie vorgenommen, um …«
    »Eine was, bitte?«
    »Kraniektomie«, wiederholte er. »Angesichts der beträchtlichen Hirnschwellung war das nötig. Wir haben die Schädeldecke geöffnet, um den Druck zu mindern und Raum für das erhöhte Volumen zu schaffen. Aber …«
    Die Tränen, die ich bisher zurückgehalten hatte, waren nicht mehr zu stoppen. Ich hatte das Gefühl, genug schlechte Nachrichten gehört zu haben »Es kann doch unmöglich noch ein ›aber‹ geben.« Ich wischte mir die Tränen mit dem Hemdsärmel ab. »Hören Sie einfach auf! Schlimmer kann es doch gar nicht mehr kommen.«
    Der Arzt gab mir einen Moment Zeit, mich zu sammeln. Dann sagte er: »Tut mir leid, Mr. Bright. Ich weiß, das alles ist schwer zu verdauen. Trotzdem muss ich Sie über den tatsächlichen Zustand Ihrer Frau aufklären. Unsere größte Sorge ist, dass sie gegenwärtig keine Perzeptivität, also kein Wahrnehmungsvermögen und keine Rezeptivität mehr hat.«
    »Und das bedeutet genau?«
    »Die Perzeptivität, das Wahrnehmungsvermögen, ist die Reaktion des Nervensystems auf erlernte Stimulanzien. Also der Denkvorgang und die Wahrnehmung der den Menschen umgebenden Welt. Rezeptivität bezeichnet eine Reaktion innerhalb des Gehirns. Dinge, wie die Aufnahme eines lauten Geräuschs und seine Ursache oder das Schmerzempfinden.«
    Frustiert wiederholte ich meine Frage. »Was bedeutet das genau?«
    »Das bedeutet, dass sie im Augenblick auf nichts reagiert. Sie liegt im Koma, Mr. Bright. Und selbst wenn alle anderen Funktionen wiederhergestellt sein werden, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie nie wieder aus dem Koma erwacht … gleichgültig, was wir tun.«
    Erneut nickten die beiden anderen Ärzte und die Krankenschwester zustimmend.
    Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was der Mann gerade gesagt hatte und was die anderen drei so heftig durch ihr Nicken bekräftigten. Die Erkenntnis war niederschmetternd. Ich war wie betäubt, zu keiner Träne mehr fähig. Ich spürte lediglich einen unmenschlichen Schmerz in der Brust und fragte mich, wie lange es wohl noch dauerte, bevor sie mich mit einem Defibrillator behandeln mussten.
    »Anna wird also nie wieder aufwachen …?« Die Worte kamen aus meinem Mund, zäh und kalt wie Stein. Ich war am Ende. Und ich wusste es.
    Kopfschüttelnd entgegnete Dr. Rasmussen: »Das ist nicht ganz richtig. Sie schläft nicht wirklich. Selbst im Schlaf reagiert unser Gehirn auf Stimulanzien von außen. Ich würde das eher als eine Art Winterschlaf des Gehirns bezeichnen … den Zustand eines Computers, wenn wir ihn eine bestimmte Zeit lang nicht benutzen. Er ist nicht an und auch nicht ganz aus. Aber in diesem Fall können wir nicht wissen, ob er sich je wieder einschaltet.«
    »Sie reagiert also nicht.« Was der Unterschied zwischen »schlafen« und »nicht wach sein« sein sollte, war mir noch immer nicht klar.
    »Richtig. Die Schwere eines Schädel-Hirn-Traumas wird durch die sogenannte Glasgow-Koma-Skala gemessen. Dabei gibt es drei Rubriken, die jeweils in Punkten ausgedrückt werden – Augenöffnung, verbale Kommunikation, motorische Reaktion. Nach unserer Bewertung erreichte Ihre Frau in jeder Rubrik einen Punkt, also insgesamt drei Punkte. Das ist die niedrigste Punktzahl und bedeutet, dass sie in tiefem Koma liegt.«
    »Aber das kann sich bessern. Richtig?«
    »Ja. Und wir werden regelmäßige Messungen vornehmen, um ihre Fortschritte zu verifizieren. Wenn sie mehr Punkte auf der Glasgow-Koma-Skala erreicht, ist das sicher eine positive Entwicklung. Allerdings ist die Punktzahl Ihrer Frau so gering, dass … Mr. Bright ich hatte schon Patienten mit einer besseren Ausgangslage, die eine sehr lange Zeit im Koma lagen.«
    Mein Mund war so trocken, dass ich kaum noch sprechen konnte. »Wie lange?«
    »Jahre«, erwiderte er tonlos. »Bis sie endlich gestorben sind.«
    Die Tränen kamen erneut, aber ich unterdrückte sie, wurde wütend. »Das sind ja großartige Aussichten. ›Hallo, Mr. Bright. Gute Nachricht, Ihre Frau ist nicht tot! Schlechte Nachricht, sie ist so gut wie tot.‹«
    Dr. Rasmussen reagierte nachsichtiger, als ich es an seiner Stelle gewesen wäre. Er seufzte nur leise und schwieg.
    Die Krankenschwester allerdings, die erst später zu uns gestoßen war, fand offenbar, dass mein

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