Lieblingslied: Roman (German Edition)
sehr ernst. Ich nehme an, Dr. Rasmussen und seine Kollegen haben Sie gestern über ihre Verletzungen aufgeklärt?«
Ich nickte. »Ich habe vieles nicht begriffen … bis ich Anna hier in diesem Zimmer gesehen habe.«
Mr. Birch stand unmittelbar hinter Reg und blätterte in Formularen an einem Klemmbrett. Schließlich zog er ein gelbes Blatt aus dem Stapel und gab es Reg. »Mr. Bright«, begann der Jurist. »Der Zustand Ihrer Frau macht einige Entscheidungen nötig. Deshalb müssen wir wissen, ob Ihre Frau rechtlich verbindliche Vorkehrungen für einen solchen Fall getroffen hat. Natürlich würden Sie jetzt lieber nicht an solche Dinge denken. Da Ihre Frau jedoch nicht in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, ist die Frage wichtig, ob sie eine Patientenverfügung hinterlegt hat.«
Ich antwortete nicht. Nicht, weil ich die Frage nicht beantworten konnte, sondern weil ich nicht wollte.
»Ethan?«, drängte Reg. »Wissen Sie, wovon wir sprechen?«
Ich nickte.
»Und?«
Im ersten Jahr unserer Ehe, nachdem wir unseren gesamten Besitz bei dem Wohnungsbrand verloren hatten, hatte Anna darauf bestanden, für jede Eventualität vorzusorgen. Noch vor ihrer ersten Fehlgeburt hatten wir zusammen mit einem Anwalt mehrere Dokumente abgefasst. Unter anderem auch eine Patientenverfügung. Damals hielt ich es für richtig. Jetzt allerdings war ich vom Gegenteil überzeugt. Schließlich kannte ich den Wortlaut der Verfügung, die Anna getroffen hatte.
»Falls mir je etwas zustößt«, hatte sie damals gesagt, »möchte ich nicht, dass du in Entscheidungsnot gerätst. Und ich möchte keine lebensverlängernden Maßnahmen. Zieh den Stecker raus, wenn es so weit kommt, Ethan, und lass mich friedlich sterben.«
Zieh den Stecker raus? Einfach so? Das hatte damals vernünftig geklungen, als die Vorstellung, einem von uns beiden könne je etwas Ähnliches zustoßen, geradezu absurd erschienen war. Jetzt, in der schockierenden Realität der Situation, war der Gedanke unerträglich.
»Ethan?«, fragte Reg erneut.
»Wie bitte? Oh, entschuldigen Sie. Wie gesagt, ich habe gestern Nacht kein Auge zugetan. Ich bin nicht sicher, ob Anna eine Patientenverfügung hat. Dazu muss ich erst zu Hause in unseren Akten nachsehen.« Selbst ich erkannte das als fadenscheinige Ausrede. Die Wahrheit allerdings schien mir zu gefährlich. Ich fürchtete, sie würden augenblicklich darangehen und sämtliche Geräte abschalten. »Aber was ist, wenn sie … keine derartige Verfügung getroffen hat?«
Der Jurist beugte sich vor. »Dann sind Sie als ihr Ehemann rein rechtlich gesehen ihr Bevollmächtigter. Sollte sich der Zustand Ihrer Frau nicht bessern, müssen Sie stellvertretend einige sehr wichtige Entscheidungen treffen.«
Reg straffte die Schultern und reichte mir das gelbe Formular von Nathan Birchs Klemmbrett. »Falls sie keine Patientenverfügung hat, müssen Sie das ausfüllen und eidesstattlich bestätigen. Danach entscheiden Sie allein über das weitere Vorgehen der Ärzte.«
Ich warf erneut einen Blick auf Anna. »Aber es ist doch noch nicht … Ich meine … der Unfall war erst gestern … Wir müssen doch jetzt noch keine endgültigen Entscheidungen treffen, oder? Ich meine, jedenfalls nicht diese Entscheidung!«
Dr. Knight schoss in seinem Stuhl vorwärts. »Mr. Bright, ich habe den Fall Ihrer Frau mit Dr. Rasmussen, den anderen behandelnden Chirurgen und mit einem Team der besten Fachärzte an dieser Klinik durchgesprochen. Aufgrund der Schwere des Schädel-Hirn-Traumas und der Tatsache, dass Ihre Frau im tiefen Koma liegt, sind wir alle der Meinung, dass die Prognosen für eine Gesundung nicht gut sind. Was nicht heißt, dass sie keine Chance hat. Es ist noch früh, die Dinge können sich durchaus zum Positiven entwickeln. Aber nach einem solchen Unfall kann ein Genesungsprozess sehr lange dauern. Und wir stehen erst am Anfang. Kommt Zeit, kommt Rat. Ich möchte Sie lediglich darauf vorbereiten, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen kann, an dem Sie entscheiden müssen, ob es der Wunsch Ihrer Frau sein kann, in diesem Zustand zu bleiben oder sie es vorziehen würde, dass Sie … loslassen.« Er machte eine Pause, gab mir Zeit, das zu verdauen. »Aber wie Sie schon sagten, ist der Unfall gerade erst geschehen. Wir möchten natürlich beobachten, wie sich die Dinge in den nächsten zwei Wochen entwickeln. Die Schwellungen des Gehirns werden hoffentlich zurückgehen. Damit werden weitere Diagnosen leichter. In der Zwischenzeit möchte
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