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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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wiedergutmachen, was sie unserer Familie angetan hatte. Und das wollte ich ihr begreiflich machen. Ich räusperte mich und begann mit angestrengt ruhiger, höflicher Stimme: »Ihre Entschuldigungen interessieren mich offengestanden nicht. Es ist mir auch egal, dass sie meine Tochter kennen. Das tut hier nichts zur Sache.« Damit zückte ich automatisch meine Brieftasche und klappte sie auf. Sie enthielt ein Bild von Anna. Ich hielt es ihr unter die Nase. »Wissen Sie, wer das ist?« Ich fühlte, wie mein Blutdruck stieg. »Haben Sie je mit ihr gesprochen, als sie Hope von der Schule abgeholt hat. Erinnern Sie sich daran, wie sie ausgesehen hat? Ich kann Ihnen versichern, wenn Sie jetzt in ihr Zimmer gehen würden, Sie würden sie nicht wiedererkennen. Nachdem, was Sie mit ihr gemacht haben, erkenne nicht einmal ich sie wieder.«
    Ashley war leichenblass geworden. Sie starrte auf das Bild, als sähe sie ein Gespenst.
    »Sagen Sie mir«, begann ich und versuchte nicht allzu giftig zu klingen. »Was gab es so Wichtiges, dass Sie am Steuer eines Autos unbedingt eine SMS texten mussten? OMG , war es vielleicht Ihre BF ? O h m ein G ott , wie man im Netzjargon sagen würde. Wissen Sie was? Wegen Ihrer Blödheit liegt meine BF , also meine b este F reundin, am Ende dieses Korridors im Koma. Warum texten Sie Ihre Freunde nicht gleich mal mit dieser aufregenden Geschichte zu?«
    »Es war mein Freund«, stammelte sie. »Er hat mir eine Nachricht geschickt …«
    »Ah, das erklärt alles! Der ist natürlich so verdammt wichtig, dass Sie es nicht erwarten konnten, ihm zu antworten, stimmt’s?«
    An dieser Stelle gab Ashley den Versuch auf, eine vernünftige Unterhaltung mit mir zu führen. Ich hatte sie in die Enge getrieben wie ein Rottweiler ein verängstigtes Kind, das sein Heil nur noch in der Flucht suchen konnte. Mit einer schnellen Bewegung riss sie ihre Handtasche an sich, die auf der Couch lag, schlang sie über die Schulter und rannte unter Tränen aus dem Warteraum. Weit kam sie nicht. Auf der zweiten Stufe der Treppe in den nächsten Stock stieß sie mit jemandem zusammen, der gerade aus der entgegengesetzten Richtung kam.
    Es gab einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem weiteren »Tut mir ja so leid« von Ashley.
    »Schon in Ordnung, junge Dame«, lautete die Antwort.
    Mein Herz setzte einen Schlag aus.
    Ich kannte die Stimme nur zu gut. Der Gedanke, er könnte meine Tirade gehört haben, berührte mich peinlich. Als ich mich umdrehte, stand er bereits im Warteraum, vom Alter gebeugt und auf einen Stock gestützt. Er sah irgendwie kleiner aus, als ich ihn von unserer letzten Begegnung in Erinnerung hatte. Die Schwerkraft hatte das ihre dazu beigetragen.
    Er sagte kein Wort.
    Das war auch nicht nötig. Ich konnte in Großvater Brights Gedanken lesen wie in einem Buch.

17
    DIE ENTTÄUSCHUNG IM BLICK des Großvaters ließ mich vermuten, dass er das Ende meiner Konversation mit Ashley Moore gehört hatte. Ich hatte diesen besonderen Ausdruck schon häufig zuvor gesehen. So zum Beispiel, als man ihn in meinem ersten Highschool-Jahr in die Schule bestellt hatte, weil ich einen Teller mit Ketchup und Kartoffelkroketten nach einem älteren Schüler geworfen hatte, der einen meiner Freunde angemacht hatte. Oder als er mich bei der Lektüre der Krankenakte seines an paranoider Schizophrenie erkrankten Patienten erwischt hatte. Der Mann amüsierte sein Publikum stets mit der Behauptung, die Tillamook Cheese Factory sei in Wahrheit eine verkappte Nuklearanlage. »Esst ja nicht den Pfefferkäse«, flüsterte der Mann dann allen Ernstes. »Er ist radioaktiv verseucht.«
    Großvater wartete auf der Schwelle, bis ich das Wort an ihn richtete.
    »Du bist gekommen«, begann ich, um die Stimmung zu testen.
    Der enttäuschte Ausdruck in seinen Augen verschwand. Er betrachtete mich mit jenem sanften nachsichtigen Blick, mit dem er seine Patienten zu bedenken pflegte. »Ich habe den erstbesten Flug genommen. Hoffe, es ist dir recht.« Er humpelte auf mich zu und umarmte mich, ohne seinen Stock loszulassen. Er ging mittlerweile so gebeugt, dass er mir nur noch bis zur Brust reichte. »Ich hatte erwartet, dich traurig und unglücklich vorzufinden. Stattdessen wurde ich Zeuge eines … ja, was war das? Ein Wutausbruch?«
    »Ja, ich bin wütend geworden. Das war das Mädchen, das den Unfall verursacht hat.«
    »Aha«, murmelte er wissend und fügte hinzu: »Sei auf der Hut. Lass es nicht zu, dass der Zorn deine Seele vergiftet. Du hast ein

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