Lieblingslied: Roman (German Edition)
schien nicht recht zu wissen, wie sie reagieren sollte. »Also das wäre ganz toll, aber … was ist mit Mami? Ist sie traurig, weil sie die Party verpasst? Vielleicht sollten wir sie absagen, weil sie nicht dabei sein kann.«
»Nein, nein … Deine Mutter ist glücklich, wenn ihr euren Spaß habt, Häschen.«
»Auch ohne sie?«
»Weißt du was? Wir bitten Stuart und Heather, viele Fotos zu machen. Dann kannst du ihr alles zeigen, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt. Was meinst du?«
»Genau«, warf Stuart ein und zog sein Handy aus der Tasche. »Ich habe meine Kamera immer dabei. Wir veranstalten die tollste Geburtstagsparty der Welt, in Ordnung?«
Die tollste Geburtstagsparty ? Ich erstarrte bei diesem Satz. Seine Worte katapultierten mich in die Wirklichkeit zurück. Da überredeten wir ein kleines Mädchen, eine wunderbare, zwanglose Geburtstagsparty zu feiern, während ihre Mutter, was die Kleine nicht ahnte, im Krankenhaus mit dem Tod rang.
Hope dachte ebenfalls einen Moment über Stuarts Vorschlag nach. Ihre Antwort überraschte mich. »Also lieber würde ich Mami besuchen.«
Ich nahm sie in meine Arme. »Ich weiß, mein Herz. Und das sollst du auch. Aber in kurzer Zeit kommen eine Menge Gäste zu dir. Und die sind bestimmt schon auf dem Weg. Ich muss wieder zu deiner Mutter ins Krankenhaus. Also ich zähle auf dich. Macht es euch so schön wie möglich, ja? Versprichst du mir das?«
Sie sah zu mir auf. Ihr Lächeln machte mir Mut. »In Ordnung, Dad.« Dann rannte sie in ihr Zimmer, um sich auf die Ankunft ihrer Gäste vorzubereiten.
»Danke, Stuart«, sagte ich, sobald sie außer Hörweite war. »Was schulde ich dir?«
»Unsinn! Vergiss es. Die Party geht auf mich. Fahr du nur zu Anna. Wir kümmern uns um den Rest.«
»Bist du sicher?«
»Meine kleine Schwester braucht dich jetzt. Natürlich bin ich sicher.«
Er mochte ein sonderbarer Typ sein, aber in diesem Moment war ich sehr dankbar, dass es ihn gab. »Danke, Stuart.«
Während ich Toilettensachen und Kleidung zum Wechseln in eine Reisetasche packte, traf Presto der Zauberer ein und nahm das Wohnzimmer in Beschlag. Großvater nahm auf der Couch Platz und beobachtete ihn bei seinen Vorbereitungen. Ich musste den Raum mehrfach in kurzen Abständen durchqueren, doch Großvater richtete das Wort erst an mich, als ich bereit war zu gehen.
»Ethan, hast du nichts vergessen?«
»Ich habe mich schon von Hope verabschiedet«, antwortete ich.
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Oh? Ach so … brauchst du Hilfe mit deinem Koffer? Du kannst im Gästezimmer am Ende des Korridors schlafen. Stuart und Heather haben mein Schlafzimmer. Und die Jungs übernachten auf der Matratze im Keller.«
»Ich meinte Karl.«
Ich starrte ihn verständnislos an. »Wozu brauche ich jetzt eine Gitarre?«
»Um darauf zu spielen, was denn sonst? Um ihr etwas darauf vorzuspielen. Und dir tut das ebenfalls gut. Glaubst du nicht, dass das hilft?«
»Nein«, wehrte ich ab. »Glaube ich nicht.«
Unter seinem prüfenden und nachdenklichen Blick fühlte ich mich sofort wie bei einer Analysesitzung auf seiner Couch. »Ich vermisse die alte Gitarre«, seufzte er. »Sie hat ’ne Menge durchgemacht. Schade, dass ich nicht mehr spielen kann. Die alten Finger wollen einfach nicht mehr.«
»Ich hab’s auch verlernt.«
»Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Großvater, ich habe seit Monaten nicht mehr gespielt. Es gibt einfach Wichtigeres im Leben.«
»Unsinn.«
»Nachdem, was mit Anna passiert ist, kann ich keine Gitarre mehr in die Hand nehmen … selbst wenn ich es wollte.«
Großvater neigte den Kopf leicht zur Seite und fragte im Ton des geübten Therapeuten: »Tatsächlich? Und weshalb?«
Ich wusste natürlich sehr gut, dass ich ihm über den Abend des Unfalls im Krankenhaus nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Ich war seinen Fragen, wie es zu dem Unfall gekommen war, stets geschickt ausgewichen. Jetzt allerdings sah ich keinen Grund mehr, ein Geheimnis daraus zu machen. »Also, wenn du es unbedingt wissen willst: Anna war auf dem Heimweg von einem Gitarrenladen, als der Unfall passiert ist. Sie hatte dort ein Instrument für Hope zum Geburtstag gekauft.«
»Und das ist der Grund, weshalb du eines deiner größten Talente einfach wegwirfst?«
»Nicht der einzige Grund. Als Kind hast du mir gesagt, Musik sei Magie …«
»Ja, stimmt. Aber du hast gesagt, dass du Zauberer werden willst.«
Ich drehte mich um, um mich zu vergewissern, das Presto nicht in Hörweite war.
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