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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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sein Gesicht zu einem Lächlen, so als sei ihm etwas eingefallen. Augenzwinkernd murmelte er: »Ja … ein andermal.« Dann schickte er mich mit einer knappen Handbewegung zur Tür.
    Ich lud das restliche Gepäck in den Kofferraum des Wagens. Dann fiel mir ein, dass ich etwas Wichtiges vergessen hatte.
    »Ah, hast mich wohl schon vermisst, was?«, begrüßte Großvater mich grinsend, als ich ins Haus zurückkam.
    »Wie der Teufel das Weihwasser«, murmelte ich.
    Meine Aktentasche stand, wie ich vermutet hatte, im Arbeitszimmer. Ich vergewisserte mich kurz, dass sie enthielt, was ich brauchte, und wandte mich zum Gehen. Auf dem Weg zur Tür fiel mein Blick auf Annas Pinboard an der Wand. Normalerweise kümmerte ich mich nicht darum, was dort hing, aber ganz zufällig erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Es war Hopes Klassenfoto. In der letzten Reihe entdeckte ich eine Referendarin, die mir nur allzu bekannt vorkam. Dieses Foto war an einen Zettel geheftet. Ich riss beides von der Pinnwand, betrachtete zuerst Ashley Moores Konterfei und dann den Zettel. Es handelte sich um den Rundbrief eines Lehrers, der einige der wichtigsten Ereignisse des Jahres zusammenfasste und den Schülern und ihren Familien einen schönen Sommer wünschte.
    P.S. – Ms. Moore und ich würden uns im Sommer über Post freuen! Bitte schreibt uns unter den folgenden Adressen …
    Es war wie ein Geschenk Gottes. Die Adresse der Referendarin, die ich am Vormittag kennengelernt hatte. Wut stieg erneut in mir hoch. Es gab so vieles, das ich ihr noch sagen wollte – damit sie leiden sollte, für das, was sie getan hatte. Mit der Aktentasche in der Hand gab ich die Adresse in mein Navigationssystem ein und stattete den Moores einen Überraschungsbesuch ab.
    Was dann passierte, war eine bedauerliche Fehlleistung. In meiner Lage (vielleicht) verständlich, aber bedauerlich. Ich fuhr zum Haus der Moores, brüllte vor dem Haus herum, bis die Bewohner herauskamen, und prügelte verbal so lange auf Ashley Moore ein, bis diese vor Angst und Verzweiflung zitterte. Dann klappte ich meinen Aktenkoffer auf, worauf die anderen befürchteten, ich wollte nach einer Waffe greifen, und zeigte der jungen Frau, wie normale Menschen miteinander kommunizieren – nämlich durch Briefe und Notizen, die Zeichen setzen, die in meinen Ohren wie Musik klingen. Erst danach merkte ich, dass ich überreagierte, mein Benehmen den Rahmen des Normalen sprengte. Ich kehrte zum Krankenhaus und an Annas Seite zurück.
    Als ich Annas Zimmer betrat, waren weiterhin sämtliche Geräte, die sie am Leben erhielten, in Betrieb. Das Ausmaß ihrer Verletzungen trieb mir erneut die Tränen in die Augen. Da ich jedoch helfen wollte, setzte ich mich zu ihr und redete stundenlang auf sie ein, sagte ihr, wie sehr ich sie liebe und wie leid mir das tat, was geschehen war. Dann begann ich einige der Briefe und Notizen laut vorzulesen, die sie mir im Lauf der Jahre geschrieben hatte und hoffte, der Funke könne überspringen und vielleicht etwas in ihrem Gehirn stimulieren. Ich wünschte mir verzweifelt ein Zeichen, doch nichts brachte sie von dort zu mir zurück … wo immer sie auch sein mochte.
    Gegen zehn Uhr abends machten sich auch bei mir die physischen Auswirkungen der vergangenen achtundvierzig Stunden bemerkbar, in denen ich kaum ein Auge zugetan hatte. Ich fragte mich dabei, ob auch Anna die Erschöpfung spürte, denn nach Aussage des Arztes bedeutete das Koma nicht, dass sie in einen erholsamen Schlaf gefallen war. Ich vergewisserte mich noch einmal, dass sie mithilfe des Beatmungsgeräts regelmäßig atmete. Dann wünschte ich ihr eine gute Nacht, legte mich auf den Liegesessel, den man ins Zimmer gestellt hatte, zog die Decke über den Kopf und löschte das Licht.
    Zehn Minuten später, ich war gerade eingeschlafen, hörte ich ein seltsames Geräusch im Korridor. Ich blieb bewegungslos liegen und horchte.
    Schlurf-schlurf-plopp. Schlurf-schlurf-plopp.
    Die Geräusche wurden allmählich lauter, bis sie unmittelbar vor der Zimmertür verstummten. Ich rührte mich nicht, als die Tür geöffnet wurde.
    Schlurf-schlurf-plopp. Schlurf-schlurf-plopp , setzten sich die seltsamen Schritte neben mir im Zimmer fort.
    Ärzte und Schwestern waren den ganzen Tag über gekommen und gegangen, und ich war durch Annas Schwangerschaften erfahren genug, um zu wissen, dass dies auch während der Nacht so bleiben würde. Ich hatte gelernt, sie zu ignorieren, wollte man Schlaf finden. Andernfalls wurde man

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